Die beiden in Havanna lebenden Autoren Marcos Antonio Diaz Sosa und Rogelio Orizondo Gomez („Der schlechte Geschmack“, 2015) nutzen dieses in den Tiefen der Geschichte versenkte Ereignis als Ausgangspunkt für ihr neues Stück.
„Die Stiere“ ist zugleich Komödie und melancholische Reflektion über die Sinnlosigkeit von Krieg und totaler Unterwerfung des Lebens unter eine Ideologie, die Menschen über Menschen stellt oder Menschen mit ihren Sehnsüchten und Ängsten aufgrund von propagierten Idealen missachtet.
Im ersten Teil öffnen die Autoren den Blick in das Geschehen auf dem deutschen U-Boot U-176. Ein depressiver Kommandant redet ununterbrochen, um die lähmende Langeweile des erteilten militärischen Auftrages zu verdrängen. Mit Animation und Partymusik versucht er seine Besatzung bei Laune zu halten, ein Nachdenken über Misserfolgen darf gar nicht erst aufkommen. Die Sinnlosigkeit des eigenen Tuns, die Grausamkeit der vollzogenen Angriffe nimmt im ersten Teil von „Die Stiere“ die Form einer rasanten Komödie an. Jedoch bleibt einem am Ende das Lachen im Halse stecken, wenn Kommandant und Besatzung erkennen, dass der Tod das Ende ihres (vermeintlichen) Abenteuers ist. Plötzlich kann keiner im Boot mehr verhehlen, dass jeder um die Leere wusste, die sich hinter kriegerischem Aktionismus versteckt.
Vom Tod deutscher Kriegsmarine-Soldaten unter Wasser in den 1940er Jahren springt das Stück im zweiten Teil auf ein Boot der kubanischen Handelsmarine. Dem Sturm trotzend transportiert das Schiff zu Beginn der 1960er eine Ladung Holsteiner Stiere zwecks Zucht von Kanada nach Kuba. Leider ist auch bei dieser Mannschaft jeglicher Glaube an das politisch-gesellschaftliche System, für das gearbeitet und gelebt werden soll, verloren gegangen. Kaum ein Matrose der Crew kann mehr verstecken, dass die eigenen Gedanken nur mehr um sich selber und den ungestillten Hunger auf Kopulation kreisen. Am Ende stirbt hier zwar nicht die Besatzung, vielmehr sterben die Zuchtstiere sie ziehen den Selbstmord einer Ankunft auf Kuba vor, wo in ihren Augen nur Leid und eine zunehmend verkümmerte Menschheit auf sie wartet. Dennoch bleibt der fahle Geschmack vom Verlust der Möglichkeit, zwischenmenschliche Beziehungen zu knüpfen und den Glauben an einen Sinn des eigenen Lebens zu hegen.
Die Absurdität von Krieg und leergelaufener Ideologie, von kulturellem Macht- und Vorherrschaftskampf ist der Kern, um den die Uraufführung „Die Stiere“ kreist, wobei die beiden Autoren das Thema mit Witz, Poesie, der kubanischen Sprachmächtigkeit und Klängen der karibischen Insel bearbeiten.
„Das ist die wahre Katastrophe: die endlosen Monate des Nichtstun, in denen wir uns in die Augen geschaut haben und nichts als Langeweile gesehen haben, in denen wir keinen Scheißhaufen aus unseren Ärschen pressen konnten, ohne dass der Geruch den Kameraden sofort in die Nase steigt. Und dafür kriegen wir jetzt nochmal vier Stunden, in denen wir nichts zu tun haben. Tränen sind sinnlos, Männer. Wir werden hier keinen Rekord brechen. Wir werden auch nichts beitragen für eine größere Zukunft. Wir sind kein Beispiel für irgendwas. Nicht mal dieses sinnlose Wettschwimmen haben wir durchgeführt. Alles vollkommen sinnlos und wir sollten drüber lachen, dass wir uns jedes Mal wieder in die Scheiße reiten.“
ins Deutsche übersetzt von Johannes Schrettle
Mit: Ella Gaiser, Leander Gerdes, Jan Hallmann, Sophie Hutter, Benjamin Mährlein, Klara Pfeiffer, Kiko Faxas (Live-Musik) sowie Max Kubitschek, Gisbert Giering, Lydia Jurich, Elke Melang und Claus Suppe (Statist*innen)
Regie: Moritz Schönecker,
Bühne und Kostüme: Benjamin Schönecker & Veronika Bleffert,
Musik: Kiko Faxas,
Dramaturgie: Sarah Israel
Termine
Mittwoch, 26.04.2017, 20:00 Uhr, Hauptbühne
Freitag, 28.04.2017, 20:00 Uhr, Hauptbühne
Samstag, 29.04.2017, 20:00 Uhr, Hauptbühne
Mittwoch, 03.05.2017, 20:00 Uhr, Hauptbühne
Donnerstag, 04.05.2017, 20:00 Uhr, Hauptbühne
Kartentelefon: 03641/886944
Kartenvorbestellung per Mail: tickets@theaterhaus-jena.de
Kartenvorverkauf: Tourist-Information Jena
Onlinekartenverkauf: www.jena.de/tickets