Der mit allen Wassern gewaschene »Spin Doctor« Dieter schlägt vor, dass auf diesem Fest statt Meinrad nur die »First Lady« auftritt, die sich durch Charme und unbändige Energie auszeichnet. Ebba soll die Gemüter besänftigen und für Meinrad werben. Aber der Präsident sperrt sich. Und Ebba Hofmann schlägt sich mit eigenen Problemen herum. Der junge Lyriker, bei dem sie für viel Geld ein Gedicht für den Parteitag in Auftrag gegeben hat, will einfach nicht liefern. Und wozu eigentlich Meinrad retten, wenn der an der Politik verzweifelnde Präsident gar nicht gerettet werden will, wenn ihm die gemeinsame Vision einer gerechteren Welt, die ihn und Ebba vor 20 Jahren in die Politik geführt hat, längst abhandenkam?
Die Lage spitzt sich zu, als Ebba ein dunkles Geheimnis aus ihrer Vergangenheit einholt: Das Kind, das sie vor zehn Jahren als Totgeburt zur Welt brachte, tritt ihr leibhaftig gegenüber. Sieht sie auf einmal Gespenster? Die Kontrolle entgleitet Ebba immer weiter – bis sie schließlich vor einer existenziellen Entscheidung steht.
Die 1965 geborene niederländische Dramatikerin Lot Vekemans, deren Stücke bereits in 20 Ländern aufgeführt wurden, führt den Zuschauer mit Momentum in die Hinterzimmer der Politik. Sie zeigt die Welt der Macht als eine Mühle, deren Räderwerk diejenigen, die sie scheinbar kontrollieren, unerbittlich zerstört. Im Zentrum von Bernhard Mikeskas Inszenierung steht Ebbas Traum von der Macht, mit der sie gesellschaftliche Veränderung, Befreiung und Gerechtigkeit durchsetzen will. Darauf hat sie alle ihre Hoffnungen im Leben gesetzt. In der Realität an der Seite des Präsidenten erweist sich für beide die Macht als ein einziger Alptraum. Alles dreht sich um sich selbst, nichts geht voran, und jede Tür führt in ein Zimmer, das dem gleicht, aus dem man gerade kommt. Es gibt kein Entrinnen, keinen Fortschritt – das einzige »Momentum« ist die mechanische Eigenbewegung einer gleichgültigen Welt, die sich jeder Beherrschbarkeit entzieht.
Ganz bewusst bleibt deshalb unklar, für welche konkrete politische Richtung Ebba und Meinrad stehen. Denn es geht um viel mehr als um Politik im engeren Sinne – es geht darum, wie Macht die Menschen verändert, was man als Einzelner
überhaupt tun kann, welchen Wert in einer komplexen, unüberschaubaren Welt persönliche Ideale noch haben. Diese Fragen stellt Lot Vekemans auf eindringliche, psychologisch präzise und zugleich radikale Art und Weise. Sie erweist sich mit Momentum als ebenso zeitlos wie hochaktuell.
Inszenierung Bernhard Mikeska
Bühne Steffi Wurster
Kostüme Irene Ip
Sounddesign Tobias Vethake
Dramaturgie Katrin Enders
BESETZUNG
Meinrad Hofmann, Parteivorsitzender Thomas Wolff
Ebba Hofmann, seine Frau Christina Huckle
Dieter Seeger, sein Berater Thomas Wehling
Ekram Lindner, ein junger Dichter Vincent zur Linden
Das ungeborene Kind Doğa Gürer
Die nächsten Vorstellungen 29.01., 31.01., 05.02., 10.02., 01.03., 10.03., 20.03.,
22.03., 03.04., 02.05., 26.05.19
Karten 0521 / 51 54 54 // www.theater-bielefeld.de