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Sehnsucht und Leidenschaft - "Julien Sorel" von Youri Vàmos an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf

Als Abschiedsaufführung des zum Ende der Spielzeit scheidenden Ballettdirektors Youri Vàmos war jetzt noch einmal sein 2006 uraufgeführtes Ballett "Julien Sorel" im Düsseldorfer Opernhaus zu sehen. Die Handlung ist dem 1830 veröffentlichten Roman von Stendhal "Rot und Schwarz" entlehnt.

Julien Sorel stammt aus einfachen Verhältnissen und bemüht sich, gesellschaftlich aufzusteigen. Aufgrund seiner Begabungen ist er in seiner provinziellen Umgebung Außenseiter. Eine kirchliche Ausbildung erscheint ihm als günstigster Weg, Karriere zu machen. Sorel ist glühender Anhänger Napoleons und der Revolution, muss dieses aber in der Zeit der Restauration geheim halten. Aufgrund seiner Lateinkenntnisse wird er Hauslehrer im Hause Rênal. Die Rênals leben zwar im besten Einvernehmen, aber doch sehr distanziert, innige Gefühlsregungen haben in dieser Ehe keinen Platz. Die nicht eingestandenen Sehnsüchte der Madame Rênal vermag Julien Sorel zu stillen, sie wird ihrem Gatten untreu. Sorels Weg führt ihn über das Priesterseminar in die aristokratische Familie de la Mole, wo er als Sekretär angestellt ist. Zugang zu der Welt des Adels erhält er allerdings nicht. Mathilde de la Mole wird von vielen Männern begehrt, sie ist aber von diesen gelangweilt. Als Sorel ihr seine revolutionären Ideen zu erkennen gibt, wird er trotz seines bürgerlichen Herkommens für sie interessant. Um weiter aufzusteigen, verrät er seine revolutionären Ideale. Die Ernennung zum Chevalier und die geplante Hochzeit mit Mathilde scheinen seine Karriere zu besiegeln. Inzwischen wurde jedoch Madame de Rênals Untreue von ihrem Mann entdeckt, der sie zur Beichte zwingt. Der Priester wiederum fordert sie auf, Sorels Skrupellosigkeit beim Marquis de la Mole aufzudecken. Aus Verzweiflung schießt Sorel auf sie. Er wird zum Tod durch die Guillotine verurteilt. Madame de Rênal hat die Attacke überlebt und begegnet Julien Sorel vor seiner Hinrichtung ein letztes Mal. Sie versucht ihn zur Flucht zu bewegen, als er dieses ablehnt, folgt sie ihm in den Tod.

Für diese Balletthandlung hat Youri Vàmos Musik von Edgar Elgar ausgewählt, die diese kongenial ergänzt. Elgars Cello-Konzert op. 82 dient dabei als Leitmotiv. Die Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Wen-Pin Chien, mit ihm selbst am Klavier, Doo-Min Kim als Solocellist und Emilian Piedicuta als Soloviolinist, spielten einfühlsam und in klanglicher Bestform.

Für die Kostüm- und Bühnenausstattung zeichnete Michael Scott verantwortlich. Sich an den Titel der Romanvorlage anlehnend, hat er das Bühnenbild ganz in Schwarz und Rot gehalten. Die Kostüme halten sich überwiegend an dieses Farbkonzept, nur Madame Rênal ist in Weiß und das Volk bunt gekleidet. Als nicht zu erreichendes Ideal platziert er eine riesig dimensionierte Napoleonstatue. Eine leicht gewundene Treppe dient zunächst als Symbol des abgewehrten Aufstiegs, dann des erfolgten Aufstieges, später als Treppe zum Schafott.

Bildmächtig ist Youri Vàmos immer in seinen Gruppenformationen. Die Choreographie dieser Szenen ist mehr als überzeugend, sie ist ein sinnlicher Genuss und die Gruppenformationen des Volkes geradezu von Delacroixscher Kraft. Die Soli- und Pas-de-deux-Szenen können da nicht ganz mithalten. Dennoch, die choreographische Leistung von Youri Vàmos ist nicht zu schmälern. Julien Sorel ist ein Ballett, dem man noch viele Aufführungen wünscht. Das Handlungsgeschehen wird durch eindeutige Gesten sehr deutlich dargestellt und wird dadurch auch ohne Programmheft nachvollziehbar: die unterkühlte, sachliche Atmosphäre zwischen den Eheleuten Rênal, der hölzerne, steife und gefühlsarme Monsieur Rênal, die sehnsuchtsvolle Madame Rênal, die distanzierte abweisende Adelsgesellschaft, die selbstbewusste, arrogante Tochter de la Mole.

Valerio Mangianti als Julien Sorel zeichnete sich durch technisch perfekte Sprünge aus, allein ihm fehlte es etwas an charismatischer Ausstrahlung. Lag es an ungenügender Körperspannung, war die Gestik zu plakativ? Suzanna Kaic überzeugte als schnippische Tochter Mathilde de la Mole und Kaori Morito als sehnsüchtige Madame de Renal.

Eine überaus gelungene Aufführung, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurde.

Besetzung:

Julien: Valerio Mangianti

Madame de Renal: Kaori Morito

Mathilde de la Mole: Suzanna Kaic

Choreograph: Youri Vàmos

Dirigent: Wen-Pin Chien

Ausstattung: Michael Scott

Beleuchtung: Klaus Gärditz

Orchester: Düsseldorfer Symphoniker

Solocello: Doo-Min Kim

Solovioline: Emilian Piedicuta

Klavier: Wen-Pin Chien

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