LE CRI – künstlerisch performative Sterbebegleitung einer Eiche in 15 Tagen
In LE CRI widmet sich das Kölner Kollektiv WEHR51 in Koproduktion mit dem Rautenstrauch-Joest-Museum und dem Sommerblut Kulturfestival dem Verhältnis von Mensch und Natur. Genauer: der Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Die Besucher*innen sind eingeladen, einem großen, weit vernetzten, wichtigen Freund – einem echten Baum – die letzte Ehre zu erweisen und dieses Lebewesen feierlich zu verabschieden.
In einer performativ-moderierten Exkursion konnte das Publikum bereits der Fällung einer Eiche beiwohnen und diesen Baum in seinen letzten Stunden begleiten. Von 9. Mai bis 23. Mai wird die Eiche nun im Rautenstrauch-Joest-Museum aufgebahrt und Stück für Stück zerlegt – begleitet von einem Programm aus Performances, Musik, Kochkursen und Workshops.
Gesamtes Programm, Video- und Fotodokumentationen und weitere Infos unter www.lecri-4life.de
Programm
im Rautenstrauch-Joest-Museum
Cäcilienstraße 29-33, 50667 Köln
Dienstag 9. Mai
Sterben 1 | Aufbahrung
Vernissage
19.00 h
Begrüßung und Sektempfang, erste Begegnung mit der aufgebahrten Eiche und feierliche Abschiedsrede an den Baum durch Tomasso Tessitori
Vortrag von David Roth (Pütz-Roth Bestattungen und Trauerbegleitung)
afterlife symmetree (Der unsterbliche Code eines toten Baums) – Medien-Installation von Jens Standke 2023
Die audiovisuelle Installation „afterlife symmetree“ visualisiert den fiktiven Code eines toten Baumes als projection mapping auf den aufgebahrten Baum. Sie thematisiert die technologische Optimierung der Natur mittels systembiologisch-neuronaler Netzwerke, um in einer pseudo-fiktiven Zukunft die Performance von Wäldern nach Belieben zu optimieren.
Leben – Ausstellung Fotos von Philipp Treudt
Bilder des aufgebahrten Baums in seiner natürlichen Umgebung auf 2 x 3 Meter hohen Fahnen gestalten den Raum, bieten Blickachsen und gestalten Wege, die zum aufgebahrten Baum führen.
Insekten-Portraits – Ausstellung Makro-Aufnahmen von Eberhard Weible
Durch die Lupenansicht geben die Insekten völlig unbekannte Details zu erkennen. Es erschließen sich fantastische Welten diverser Formen, Strukturen und Farben, die wir mit bloßem Auge betrachtend nicht vermuten würden.
Wertewandel – Installation auf der Cäcilienstraße von ökoRAUSCH
Die Installation „Wertewandel" des Ökorausch Think Tank e.V. konzentriert sich auf das urbane Umfeld des Rautenstrauch-Joest-Museums. Dort werden in die Bäume Preisschilder gehängt, die damit anschaulich über die Biodiversitätsleistung informieren, die jeder Baum täglich für uns erbringt. „Wertewandel" wurde erstmalig im Rahmen der Ausstellung "Between the Trees" des MAKK in dessen Umfeld gezeigt.
Wanderbaumallee – Installation auf der Cäcilienstraße von Wanderbaumallee Köln
Eintritt frei
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Mittwoch 10. Mai
afterlife symmetree, Leben, Insekten-Portraits, Wertewandel, Wanderbaumallee – Installationen und Ausstellung
10.00 h – 18.00 h
Die Kommunikation der Bäume – Vortrag
19.00 h
LE CRI – Video-Hörstück (Uraufführung)
20.00 h
Eine menschliche Stimme im Rausch des technisch-technologischen Fortschritts begegnet dem Austausch der Bäume mit ihrer Umwelt. Können wir zuhören und was verstehen wir? Sterbebegleitung eines Baums. Von Rosi Ulrich (Text), Jens Standke (Visuals) und Sibin Vassilev (Komposition, Sounddesign), Andrea Bleikamp (Konzept-Regie), Kai Hufnagel, Katya Tasheva, Mareile Metzner und Sibin Vassilev (Stimmen).
Eintritt: Solidarisches Ticket, nach eigenem Ermessen, 4 bis 24 Euro unter www.sommerblut.de
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Donnerstag 11. Mai
Sterben 2 | Entrindung
afterlife symmetree, Leben, Insekten-Portraits, Wertewandel, Wanderbaumallee – Installationen und Ausstellung
10.00 h – 18.00 h
LE CRI – Video-Hörstück
16.00 h
Eintritt frei
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Freitag 12. Mai
afterlife symmetree, Leben, Insekten-Portraits, Wertewandel, Wanderbaumallee – Installationen und Ausstellung
10.00 h – 18.00 h
Touch-Tour für blinde und sehbehinderte Menschen
15.00 – 16.00 h
LE CRI – Video-Hörstück
16.00 h
Eintritt frei
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Samstag 13. Mai
afterlife symmetree, Leben, Insekten-Portraits, Wertewandel, Wanderbaumallee – Installationen und Ausstellung
10.00 h – 18.00 h
Touch-Tour für blinde und sehbehinderte Menschen
12.00 – 13.00 h
LE CRI – Video-Hörstück
13.00 h und 16.00 h
Die Bedeutung von Natur und Naturerfahrung in der Kindheit und Jugendhilfe – Vortrag von Neo Hölzemann (Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin)
14.30 h
Was für Möglichkeiten und Potentiale bieten uns Natur und Naturerfahrungen, um mit aktuellen ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit umzugehen? Welchen Einfluss haben Natur und Naturerfahrungen auf die Gesundheit? Der Vortrag beleuchtet die Folgen des Klimawandels für die "Generation der Zukunft" und zeigt nachhaltige Gestaltungsmöglichkeiten für sie auf.
Eintritt frei
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Sonntag 14. Mai
afterlife symmetree, Leben, Insekten-Portraits, Wertewandel, Wanderbaumallee – Installationen und Ausstellung
10.00 h – 18.00 h
LE CRI – Video-Hörstück
12.00 h
Was ist ein Wald? – Vortrag von Holger Sticht (BUND e.V. Bund für Naturschutz und Umwelt)
14.00 h
Sticht ist ein Verfechter der Idee, der Natur die Freiheit der Selbstgestaltung wieder zurück zu geben. Er geht davon aus, dass Pflanzen und Bäume sich dort durchsetzen, wo sie das richtige Umfeld zu ihrem Überleben finden.
Geräusche-Chor – Workshop mit Kai Niggemann
16.00 h
Der Geräuschchor ist ein Chor, der nur mit der Stimme Geräusche erzeugt. Mit der Stimme wird nicht gesungen oder gesprochen, sondern Texturen, Klänge, Rhythmen und Noises erzeugt. Kai Niggemann nutzt ihn als eine Art Sampler, der mit einer starken klanglichen Verfärbung daherkommt — der menschlichen.
Eintritt frei
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Dienstag 16. Mai
Sterben 3 | Entastung
afterlife symmetree, Leben, Insekten-Portraits, Wertewandel, Wanderbaumallee – Installationen und Ausstellung
10.00 h – 18.00 h
LE CRI – Video-Hörstück
16.00 h
Holz hat kein Gedächtnis – ein Beitrag aus der Restaurierung – Vortrag von Kristina Hopp (Diplom Restauratorin Rautenstrauch-Joest-Museum)
19.00 h
Überall wo Bäume wachsen wird aus Holz auch Kunst gemacht. Holz lebt, sagt man und begründet damit Schadensbilder an Kunstwerken aus Holz. Wie kann das sein?
Über die Ursachen, den Umgang und die Restaurierbarkeit dieser Schäden berichtet Kristina Hopp aus der Perspektive einer Holz-Restauratorin, die einen ethnologischen Sammlungsbestand betreut.
Entastung – Sonderveranstaltung
20.00 h
Timo Blens, der die Eiche am 22. April gefällt hat, befreit die aufgebahrte Eiche in mehreren Schritten von ihren Ästen von. Diesen Natur-Sound vom Baum und den Handwerksgeräuschen transformiert Kevin Klinge zu einem DJ Set.
Eintritt: Solidarisches Ticket, nach eigenem Ermessen, 4 bis 24 Euro unter www.sommerblut.de
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Mittwoch 17. Mai
afterlife symmetree, Leben, Insekten-Portraits, Wertewandel, Wanderbaumallee – Installationen und Ausstellung
10.00 h – 18.00 h
Stille Stunde für Menschen mit Autismus
14.30 – 15.30 h
LE CRI – Video-Hörstück
16.00 h
wooden transitions – Übertragung des Live-Konzerts von Dagmar Wilgo, Andreas Kolinski und Patrick Arnold aus München ins Rautenstrauch-Joest-Museum
19.00 h, im Anschluss Gespräch
Mit sphärischen Klängen von live Electronics und Blockflöten setzen Andreas Kolinski und Dagmar Wilgo ein Zeichen der minimalen und nachhaltigen Musik der Zukunft. Sinusartige und rauschhaltige Elemente bilden ein Klangexperiment im Spannungsfeld zwischen meditativen Impulsen und instrumentalen Soli. Durch außergewöhnliche live Visuals von Patrick Arnold wird die Performance komplettiert.
Hildegard von Bingen – Übertragung der Performance von Nils Amadeus Lange aus Rennes ins Rautenstrauch-Joest-Museum
20.00 h, im Anschluss Diskussion
Die Performance des Ethnobotaniker Nils Amadeus Lange Neben widmet sich der benediktinischen Äbtissin Hildegard von Bingen, die u.a. für ihr natur- und heilkundliches Wissen bekannt ist. Dabei geht es mir weniger um Glaubensfragen, als vielmehr um die Frage, inwiefern Pflanzen zu einer wirklichkeits-kontinuierenden Erfahrung führen können.
Eintritt: Solidarisches Ticket, nach eigenem Ermessen, 4 bis 24 Euro unter www.sommerblut.de
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Donnerstag 18. Mai
afterlife symmetree, Leben, Insekten-Portraits, Wertewandel, Wanderbaumallee – Installationen und Ausstellung
10.00 h – 18.00 h
Performance-Interventionen von Constantin Leonhard
ab 11.00 h
Moderne Naturküche – Workshop mit Rosi Ulrich und Andrea Bleikamp
12.00 h
LE CRI – Video-Hörstück
16.00 h
Eintritt frei
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Freitag 19. Mai
Sterben 4 | Ablängung
afterlife symmetree, Leben, Insekten-Portraits, Wertewandel, Wanderbaumallee – Installationen und Ausstellung
10.00 h – 18.00 h
LE CRI – Video-Hörstück
20.00 h, im Anschluss, Maschinenkunst am Stamm - die Entstehung einer Skulptur
Eintritt: Solidarisches Ticket, nach eigenem Ermessen, 4 bis 24 Euro unter www.sommerblut.de
Samstag 20. Mai
afterlife symmetree, Leben, Insekten-Portraits, Wertewandel, Wanderbaumallee – Installationen und Ausstellung
10.00 h – 18.00 h
Vermeintliches Unkraut in der modernen Naturküche – Workshop von Gundermann und Co
15.00 h
LE CRI – Video-Hörstück
20.00 h
Die Pflanzen und ihre Rechte – Performance von Laurenz Leky
21.00 h, im Anschluss Publikumsdiskussion
Was wenn wir den Pflanzen Rechte zugestehen? Ein anderer Blick auf Natur!
Eintritt: Solidarisches Ticket, nach eigenem Ermessen, 4 bis 24 Euro unter www.sommerblut.de
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Sonntag 21. Mai
Sterben 5 | Zerstückelung
afterlife symmetree, Leben, Insekten-Portraits, Wertewandel, Wanderbaumallee – Installationen und Ausstellung
10.00 h – 18.00 h
LE CRI – Video-Hörstück
11.00 h
Regenameisen: eine rhythmische Entkolonialisierung ins Gewebe des Sarayaku Regenwaldes – Lecture-Performance von Dr. Kuai Shen
15.00 h und 19.00 h
Performance in Sound und Bild über die Regenameisen im Amazonasgebiet der Kichwa. Ein Einblick in territoriale Beziehungen, der den Regenwald als Superorganismus begreift.
Leben wie eine Baumscheibe – Vortrag zur Kreislaufwirtschaft von Rosa Frey
17.00 h
Zerstückelung – Sonderveranstaltung
20.00 h
Der Natur-Sound vom Baum und handwerklicher Arbeit verwoben zu einer Komposition mit Live-Musik und DJ-Set.
Eintritt: Solidarisches Ticket, nach eigenem Ermessen, 4 bis 24 Euro unter www.sommerblut.de
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Dienstag 23. Mai
Sterben 6 | Leichenschmaus
afterlife symmetree, Leben, Insekten-Portraits, Wertewandel, Wanderbaumallee – Installationen und Ausstellung
10.00 h – 18.00 h
LE CRI – Video-Hörstück
16.00 h
KIOSK – Sommerblut Festivalzentrale mit DJ im Josef Haubrich Hof
18.00 h
Waldmenue – ein Menue mit Versteigerung von Fotos aus den Ausstellungen und Artefakten vom Baum
18.30 h
Prozession – Abschieds-Performance mit Tomasso Tessitori
20.00 h
RaumZeitBaum – Konzert von Dunkelwellen
20.15 h
Elektronische Musik ist eine intime Musik, die am besten im kleinen Rahmen stattfindet und doch, wenn man die Augen schließt, riesige Räume aufmachen kann. Bei Dunkelwellen (aka Kai Niggemann – Buchla 200e Electic Music Box und Connie Trieder – Flöte und fx) bildet die Flöte die Verbindung zu unseren Wirklichkeiten. Ihre Klänge verschwimmmen von Zeit zu Zeit, zwischen den Dimensionen wechselnd, mit den Klängen der Buchla. In welche Klangräume geleitet sie uns wohl diese Nacht?
Eintritt: Solidarisches Ticket, nach eigenem Ermessen, 4 bis 48 Euro unter www.sommerblut.de
Zum Hintergrund
LE CRI ist der erste Teil des Zyklus 4Life, einer vierteiligen und auf vier Jahre angelegten Serie zu Natur und Nachhaltigkeit. LE CRI widmet sich dem Element Erde und ist die künstlerische, performative Sterbebegleitung einer Eiche in 15 Tagen.
Die Frage: Was kann der Wald fürs Klima tun, ist eine falsch gestellte Frage, weil sie den Baum zum Objekt des Anthropozäns reduziert, das wirtschaftlichen Nutzen bringen soll. In den letzten Jahrhunderten musste der Baum gerade und schnell wachsen, um daraus möglichst effizient das Holz zu Bohlen und Möbeln verarbeiten zu können. Heute muss er CO2 absorbieren, damit wir unsere Lebensweise möglichst wenig einschränken müssen. Der Baum als Diener des Menschen. (frei zitiert nach Harald Welzer: Nachruf auf mich Selbst, 2021)
Doch was ist mit Artikel 1 der Charta der Pflanzenrechte: „Die Erde ist die gemeinsame Heimat allen Lebens. Die Macht gehört allen Lebewesen.“ (Stefano Mancuso: Die Pflanzen und ihre Rechte 2019/21). Schon 1982 wollte Joseph Beuys mit seiner Aktion „7000 Eichen“ die Bäume rechtsfähig machen, WEHR51 schließt nun daran an und will dem Baum eine Stimme geben.
Wagen wir den Schritt und trennen den Baum von seinem ökonomischen Wert und Zweck. Was könnte er uns geben, wenn sein ästhetischer Wert im Zentrum stünde, würden sich dann nicht andere soziale Zusammenhänge ergeben. Er wäre teil unserer Gemeinschaft, Teil unseres Daseins, ein Individuum mit sozialen Beziehungen, das mit Geräuschen, Gerüchen und differenziertem Farbenspiel mit uns kommuniziert. (frei zitiert nach Harald Welzer: Nachruf auf mich Selbst, 2021)
WEHR51 will mit einer Exkursion zur Fällung eines Baumes, mit Workshops, Vorträgen, künstlerischen Transformationen tiefere Einblicke in die Zusammenhänge schaffen, in das, „was die Welt im Innersten zusammenhält“: das Biotopische. In einer ungeahnten Vielfalt arbeiten verschiedene Lebewesen aus unterschiedlichen „Gattungen“ und „Arten“ zusammen. Der eine kann nicht ohne den anderen, chaotische Vielfalt sucht ständig die Ordnung zu durchbrechen, immer Neues bildet sich heraus, Lebendiges und Totes unentwirrbar miteinander verwoben.
Eine Produktion von WEHR51, Rautenstrauch-Joest-Museum und Sommerblut Kulturfestival.
In Kooperation mit Freihandelszone Ensmbelnetzwerk Köln und ökoRAUSCH
Gefördert durch Kulturamt der Stadt Köln, Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste, RheinEnergieStiftung KULTUR
Medienpartner Radio 674.fm
Weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie unter www.freihandelszone.org