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PRÄZISE STRUKTUREN -- Neue CD: Schostakowitschs Präludien & Fugen op. 87 bei Pentatone/ Wer sie in SPRÄZISE STRUKTUREN -- Neue CD: Schostakowitschs Präludien & Fugen op. 87 bei...PRÄZISE STRUKTUREN --...

PRÄZISE STRUKTUREN -- Neue CD: Schostakowitschs Präludien & Fugen op. 87 bei Pentatone/ Wer sie in S

Juli 2025

Wer sie in Stuttgart mit Prokofieffs drittem Klavierkonzert erlebt hat, wird sie nicht vergessen. Die Rede ist von der russischen Pianistin Yulianna Avdeeva, die die Präludien und Fugen von Dmitri Schostakowitsch neu eingespielt hat. Der polyphone Reichtum dieser ungewöhnlichen Komposition kommt dabei eindrucksvoll zur Geltung. Bachs Fuge als Ausdruck menschlicher Leidenschaften und Charaktere erscheint in abgewandelter Form, die aber durchaus ergreifend sein kann, wenn sie so bewegend interpretiert wird wie von Yulianna Avdeeva.

 

Copyright: NAXOS

Die Nähe zu den episch-dramatischen Sinfonien Schostakowitschs ist hier auffallend, wobei der kontrapunktische Zauber in seiner Intensität nie nachlässt. Die liedhaften Themen gewinnen dabei einen ungewöhnlichen Klangfarbenreichtum. Auch die reizvolle Stufenform der Passacaglia kommt nicht zu kurz, gewinnt ständig neu an Farbe und Ausdruckskraft. Die Präludien stechen bei Yulianna Avdeeva in ihrer Absolutheit hervor. Und die fünfzehnte Fuge verzaubert mit ihren facettenreichen chromatischen Passagen und Intervallen in erstaunlicher Weise. Die elf Töne der chromatischen Leiter werden dann beim zwölften Ton von einem markanten Orgelpunkt abgelöst. Tänzerische Rhythmik begleiten die seltsame Des-Dur-Aura in wahrhaft bemerkenswerter Weise. Avdeevas Spiel klingt zuweilen fast sphärenhaft leicht. Schostakowitsch selbst war übrigens bekannt für seinen harten Anschlag, den die klug agierende Pianistin nicht unterstreicht. Aber es gelingt ihr sehr überzeugend, den sinfonischen Charakter dieser expressiven Klaviermusik zu betonen. Vorbilder wie Chopin, Skrjabin, Mussorgskij und Prokofjew bleiben zwar spürbar, überlagern aber die differenzierte harmonische Klangwelt Schostakowitschs nicht. 

Die Hände liegen beim Spiel oft weit auseinander, akkordische Konzentrationen dominieren. Yulianna Avdeeva vermeidet jedoch Trockenheit im Anschlag, Sarkasmus und Spielwitz blitzen manchmal auf. Und auch bei der prägnant gespielten Bearbeitung von Schostakowitschs Präludium und Fuge in cis-Moll von Krzysztof Meyer fällt der Einfluss Johann Sebastian Bachs ins Gewicht. Doch Schostakowitsch erweitert hier die Klangstrukturen erheblich, ordnet sie neu, findet immer neue Variationen und Veränderungen. Gerade diesen Aspekt unterstreicht Yulianna Avdeeva bei ihrem differenzierten Spiel. Die in weiten Intervallen geführte Melodik, die herbe Harmonik und die abrupten Modulationen kommen so plötzlich ganz unvermittelt, schroff und erschreckend zum Vorschein. Sie werden durch lyrische Passagen in bewegender Weise abgemildert. 

Die Aufnahme ist in ihrer unbedingten Konsequenz sehr zu empfehlen.   
 
   

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