Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Mystischer TotentanzMystischer TotentanzMystischer Totentanz

Mystischer Totentanz

"Liebe, Tod, Teufel - Das Stück" von Ben J. Riepe im Tanzhaus NRW Düsseldorf

 

Liebe, Tod und Teufel, ein vielfach bearbeitetes Thema in der Kunst. Man möchte meinen, dazu sei schon alles gesagt. Die neue Performance von Ben J. Riepe findet dennoch dafür ungewöhnliche Bilder. Sein Stück "Liebe, Tod und Teufel" beginnt ganz ruhig ohne Musik. Ein Mann, in schwarz gekleidet mit hohem Hut, zwingt einer Frau, die wie eine Gliederpuppe agiert, Bewegungsformen auf, die diese so lange beibehält, bis er sie in eine neue Haltung bringt. Die schwarze Bühne hellt sich allmählich auf, im Hintergrund ist jetzt ein präparierter Hirsch zu sehen. Menschen mit weißen, gefältelten Halskrausen und Hasenmasken schleichen sich auf die Bühne. Im weiteren Verlauf machen wir auch noch mit Affen, Schafen usw. Bekanntschaft. Dicke Nebelschwaden breiten sich über die Bühne aus. Die sechs Tänzer scheinen im Wald herumzuirren.

 

Wie in einer Traumsequenz mit alpdruckhaftem Charakter reihen sich die einzelnen Performancesequenzen aneinander. Die Musik nimmt Anleihen an der Klassik und gibt sich lautstark pathetisch, unterbrochen durch ein gesungenes, gesummtes oder geröhrtes "Moonriver". Das ist aber schon alles, was das Stück an romantischem Liebesgehabe zu bieten hat. Stattdessen angedeuteter Sex. Eros tritt zugunsten von Thanatos zurück. Per Megafon wird gegen die Musik angeschrien mit der wiederholten Frage, ob man Angst vorm Tod, Angst vorm Sterben habe. Wenn eine Tänzerin am Boden liegend und mit den Füßen immer wieder Scheren schneidend dabei wie ein Esel schreit, erinnert das an den kläglichen, in einen Esel verwandelten Zettel im Shakespeare-Wald. Aber von der feenhaften Shakespear'schen Leichtigkeit hat Riepes Stück nichts, auch wenn die im zweiten Teil des Stückes recht farbenfrohen Kostüme in der Renaissance Anleihen genommen haben. Riepe legt den Schwerpunkt auf das Unheimliche, Mystische und Pathetische. Sein Stück bietet keine Deutungen und soll es wohl auch nicht. Der Logik, wie auch jeder Traum, entzieht es sich. Man mag da eher in Richtung David Lynchs Twin Peaks denken. Nach einem ersten Applaus setzt das Stück noch einmal ein und endet in einem bizarren Hip-Hop- Menuett.

 

Ben J. Riepe und seinen Tänzern und Tänzerinnen gelingt es, eine verstörende Welt zu erzeugen mit ausdruckstarken Bildern, die beim Zuschauer noch lange haften bleiben. Begeisterter Applaus für eine überzeugende Leistung.

 

Choreografie, Konzept: Ben J. Riepe

Tanz: Fa-Hsuan Chen, Deborah Gassmann, Challenge Gumbodete, Simon Hartmann, Linda Nordström, Daniel Ernesto Müller Torres

Musik: Alex Alves Tolkmitt

Kostüme: Anna Kleihues

Licht, Technik: Dimitar Evtimov

Foto: Ursula Kaufmann.

 

__________________________________

 

Januar 2010

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 13 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

DIE MYSTERIEN DES GROSSEN MAKABREN -- SWR Symphonieorchester unter Ingo Metzmacher mit Patricia Kopatchinskaja im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Cluster, reizvolle Tremoli und Klangfarben beeindruckten die Zuhörer bei "Lontano" für großes Orechester von György Ligeti mit dem SWR Symphonieorchester unter Ingo Metzmacher. Lineare und klangliche…

Von: ALEXANDER WALTHER

WECHSELSPIEL DER STIMMUNGEN -- 5. Kammerkonzert "Nordlichter" des Staatsorchesters Stuttgart im Mozartsaal der Liederhalle STUTTGART

Die Natur spielt in den Kompositionen des lettischen Komponisten Peteris Vasks eine große Rolle. In seinem 1977 geschriebenen ersten Bläserquintett erkennt man dies sehr deutlich. Anklänge an Sibelius…

Von: ALEXANDER WALTHER

IM REICH DER RHEINMÄRCHEN -- Stuttgarter Philharmoniker mit Lise de la Salle im Forum am Schlosspark LUDWIGSBURG

Es war eine besondere Begegnung von Robert Schumann und Franz Liszt, die sich persönlich gut kannten. Unter der temperamentvollen Leitung von Jan Willem de Vriend (derzeit Chefdirigent des Wiener…

Von: ALEXANDER WALTHER

DAS MARMORSTANDBILD LEHRT DAS GRUSELN -- "Don Giovanni" von Mozart im Theater HEILBRONN

"Don Giovanni glaubt vielleicht sogar an Gott, er will nur nichts von ihm hören, da dies sein Genussleben stören würde", meinte Bertolt Brecht. Don Giovanni kennt auch in der subtilen Inszenierung von…

Von: ALEXANDER WALTHER

HYSTERIE AM SPIELTISCH -- "Der Spieler" nach Dostojewskij von Sergej Prokofjew in der Staatsoper STUTTGART

In der suggestiven Inszenierung von Axel Ranisch wird die Geschichte ganz aus der Sicht Polinas als Stieftochter des Generals erzählt. Sie will ihren widrigen Lebensumständen unbedingt entfliehen.…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑