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„Die Ratten“ von Gerhart Hauptmann im Düsseldorfer Schauspielhaus

Copyright: Sebastian Hoppe

 

Dualistisch ist das Drama "Die Ratten" von Gerhart Hauptmann angelegt. Einerseits die tragische Geschichte um Frau John, deren Sohn kurz nach der Geburt gestorben ist und die die ungewollt schwangere Pauline Piperkarcka dazu überredet, das Kind auszutragen und ihr zu übergeben. Ihrem Mann täuscht sie vor, dass der Säugling sein Sohn sei. Als Pauline dann ihr Kind zurückfordert, kommt es zur Eskalation. Dieser naturalistisch angelegten Darstellung wird die komische Geschichte um den Theaterdirektor Hassenreuter gegenübergestellt, der in seiner Theaterarbeit einen klassisch-idealistischen Ansatz verfolgt. Hauptmann macht also zugleich sein ästhetisches Konzept zum Thema des Stückes.

 

In seiner Inszenierung für das Schauspielhaus Düsseldorf übersteigert Volker Lösch dieses Konzept noch, indem der die beiden Handlungsstränge verdoppelt. Die Muttertragödie verstärkt er durch einen Chor von Düsseldorfer alleinerziehenden Frauen, die klagend ihre frustrierenden Geschichten von heutiger Mutterschaft vortragen. Die Komödienszenen hat er ausgeweitet, indem sich der Schauspielschüler Spitta aufgrund von ästhetischen Divergenzen zum Konkurrenten des Theaterdirektors Hassenreuter entwickelt, der immer wieder mit verschiedenen Konzepten experimentiert. Angereichert sind die Szenen mit Bezügen zur derzeitigen Intendanzsituation am Düsseldorfer Schauspielhaus.

 

Volker Lösch versucht also, Gerhart Hauptmanns Drama zu aktualisieren. Seltsamerweise bleiben dabei die Urtext-Szenen mit den existentiellen Nöten berührender als die geschrienen Parolen der Alleinerziehenden, deren Probleme dagegen fast verflacht erscheinen. Gegen Ende hin franst das Ganze zudem etwas aus, da hätten einige Kürzungen gut getan. Nichtsdestotrotz eine gelungene Aufführung, die zwar sozialkritische Tendenzen hat, aber dennoch ungemein amüsiert. Das liegt nicht zuletzt an der großartigen Leistung der Schauspieler, die teilweise zugleich sowohl die tragischen als auch die komischen Sequenzen bedienen müssen, allen voran Claudia Hübbecker als Frau Hassenreuter und frustrierte, durchsetzungsstarke Frau John, Anna Kubin als Pauline Piperkarcka und verführerisch-gewiefte Alice Rütterbusch. Urs Peter Halter erinnert als Erich Spitta nicht nur aufgrund seiner Frisur, sondern auch wegen seines übersprühenden Enthusiasmus an Christoph Schliengensief. Für Rainer Galke ist natürlich Herr Hassenreuter die passende Rolle, in der er in gewohnter Weise brillieren kann.

 

Mit

Herr Hassenreuter – Rainer Galke

Frau Hassenreuter / Frau John – Claudia Hübbecker

Herr Spitta – Urs Peter Halter

Frau Rütterbusch / Piperkarcka – Anna Kubin

Frau Käferstein / Selma Knobbe – Hanna Werth

Herr Jettel / John – Lutz Wessel

Herr Kegel / Bruno – Edgar Eckert

 

Chor der alleinerziehenden Mütter – Justina Adwoa-Adu, Eva Marie Auer, Leonie Armbrüster,

Bianca Bruchmann, Yasmin Engizek, Claudia Falke, Izabela Folek, Katrin Junge, Mareike Goetzinger, Magdalena Kicala, Sabine Kraft, Marion Müller, Claudia Münch, Silke Nack, Anna Otto, Sabine Tegetmeier

 

Regie: Volker Lösch

Bühne und Kostüme: Cary Gayler, Jan Müller

Leitung des Sprechchors: Christoph Jöde

Dramaturgie: Christine Lang

 

Premiere: 29. November 2014

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