Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Motortown" von Simon Stephens in Neuss"Motortown" von Simon Stephens in Neuss"Motortown" von Simon...

"Motortown" von Simon Stephens in Neuss

Premiere 18.01.2008 | 20:00 | Rheinisches Landestheater - Schauspielhaus

 

Das Stück beginnt mit einem Dialog zwischen zwei Brüdern: Danny, dem jüngeren, und Lee, dem älteren. Lee sagt: „Sie will dich nicht sehen. Soll ich dir sagen. Die Briefe haben ihr Angst gemacht.“

Langsam und behutsam werden wir mit Danny bekannt gemacht, wir beobachten ihn, wie er nach längerem Aufenthalt im Ausland seine Freunde wieder aufsucht. Seine ehemalige Freundin Marley hat einen anderen. Sie ahnt, dass etwas mit Danny nicht in Ordnung ist. Sie ist jedoch vorsichtig, sagt es ihm nicht auf den Kopf zu. Danny kauft von seinem alten Freund Tom eine Pistole, sie verabreden einen Ausflug auf die Insel Foulness, ein militärisches Sperrgebiet, auf dem sich paintball-Spieler treffen. Danny erfährt, dass er einmal im englischen Fernsehen zu sehen war, alle beteuern, dass er „gut rübergekommen sei“, doch einzig Marley beschreibt, wie er, total desorientiert nicht einen einzigen zusammenhängenden Satz herausgebracht habe. Und dann fällt der Name des Ortes, wo Danny war: Basra.

 

Danny gehörte dem britischen Truppenkontingent an, das in der von US-Präsident Bush gegründeten „Allianz der Willigen“ im „war on terrorism“ aktiv wurde. Danny sucht Paul auf: er kann seine Pistole „scharfmachen“ und ihm echte Munition besorgen. Paul ist ein zynischer Philosoph, der über alles Bescheid weiß, abgeklärt und illusionslos die Welt beobachtet und egoman und rücksichtslos nur dem eigenen Vergnügen frönt. Paul lässt die 14-jährige Jade bei sich wohnen. Danny quält sie, lässt sie für Fotos posieren, stellt die Positionen der berühmt-berüchtigten Fotos aus dem Abu-Ghraib-Gefängnis nach. Danny trifft bei einem Ausflug an der Küste ein „tolerantes“ Paar: reich, mit Umgangsformen, zuvorkommend und höflich - sie machen ihm ein eindeutiges Angebot. Danny wird der Cocktail der menschlichen Egoismen und Rücksichtslosigkeiten, das Flickwerk von unzusammenhängenden Eindrücken der Welt, in die er zurückkehrte, zu unübersichtlich, er findet keine sinnvolle Ordnung darin, er verliert die Orientierung. „Ich mache dem Krieg keinen Vorwurf. Der Krieg war in Ordnung. Er fehlt mir. Aber dann kommt man zurück, und es ist so.“

 

Das Stück des englischen Autors Simon Stephens ist in der Zeit der Anschläge auf die Londoner U-Bahn 2005 entstanden. Der Terrorismus ist nicht das unmittelbare Thema des Stückes, wohl aber die Veränderungen, die er verursacht hat. Simon Stephens gehört zu den jungen englischen Autoren, die seit einigen Jahren auch auf das deutsche Theater (auf Autoren, Schauspieler und Regisseure) einen großen und nachhaltigen Einfluss ausüben. Einige sind hier berühmt geworden: Sarah Kane, Mark Ravenhill, David Harrower. Zumeist haben sie an dem wohl wichtigsten Theater Englands gelernt, wurden dort gespielt oder geben heute noch ihre Kenntnisse weiter: das Royal Court Theatre in London. Ihre Themen sind höchst unterschiedlich, aber das Zentrum ihres Schreibens ist die Wiederkehr des "sozialen Dramas" im weitesten Sinn: diese Themen und Sichtweisen sind gekennzeichnet von einer erzählerischen Brisanz, die sich z.B. auch in den Filmen von berühmten englischen Filmemachern wie Stephen Frears oder Ken Loach zeigt. Wichtige Stücke von Simon Stephens: Reiher, Port, Am Strand.

 

Inszenierung Dominik Günther

Bühne und Kostüme Heike Vollmer

 

Mit Carmen Betker

André Felgenhauer

Vera Kasimir

Tim Knapper

Anas Ouriaghli

Tini Prüfert

Martin Skoda

Aurel von Arx

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 17 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

DER FRAUENHELD ALS MYTHISCHE GESTALT -- Revue-Operette "Casanova" von Strauss/Benatzky in der Staatsoper Stuttgart

Barberina steht als schöne Frau im Mittelpunkt des Geschehens. Das Männlichkeitspathos wird in Marco Stormans Inszenierung auf die Spitze getrieben. Natürlich erscheint der Schwerenöter Casanova auch…

Von: ALEXANDER WALTHER

GROSSE RHYTHMISCHE ENERGIE -- 4. Kammerkonzert des Staatsorchesters im Mozartsaal der Liederhalle STUTTGART

Im 4. Kammerkonzert "Souvenirs" des Staatsorchesters brillierten zunächst Elena Graf (Violine), Daniel Schwartz (Viola) und Philipp Körner (Violoncello) mit Franz Schuberts unvollendet gebliebenem…

REICHHALTIGE MUSIK -- Neue CD: Platz für kreative Frauen - Boulanger Trio bei Berlin Classics

Karla Haltenwanger, Pianistin des Ensembles Boulanger Trio, erklärt, dass ihnen immer wieder fantastische Komponistinnen begegnen würden, die zum Teil kaum bekannt waren oder immer noch kaum bekannt…

Von: ALEXANDER WALTHER

Spannend, poetisch, eindrucksvoll -- "Der Kreidekreis" von Alexander Zemlinsky in der deutschen Oper am Rhein

Ein uraltes Thema: Zwei Frauen streiten um ein Kind. Jede behauptet, sie sei die Mutter. Die Lösung dieses Problemfalles im Alten Testament der Bibel ist in die Geschichte als "Salomonisches Urteil"…

Von: Dagmar Kurtz

ZAUBER MUSIKALISCHER VERWANDLUNG -- "Palestrina" von Hans Pfitzner an der Wiener Staatsoper

Der jüdische Uraufführungsdirigent Bruno Walter hat dieses Werk bis zuletzt geliebt, obwohl die im Jahre 1917 im Prinzregententheater in München erstmals aufgeführte Oper "Palestrina" aufgrund der…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑