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Mainfranken Theater Würzburg: Ausblick und Bilanz.

Großes Drama zum Spielzeitbeginn: Am 7. Oktober lädt das Schauspiel zur langen Ibsennacht mit einem Doppelabend "Peer Gynt" und "Nora oder ein Puppenheim" ein. Besonders interessant im Ibsen-Jahr 2006. Die ersten Premieren im Musiktheater werden am 23. September mit Donizettis "Lucia di Lammermoor" und am 30. September mit dem Kammerballettabend "Le Boeuf/Der Tod und das Mädchen" über die Bühne gehen.

 

Der Spielplan 2005/2006 fand nicht in allen Produktionen die gewohnt breite Resonanz populärer Werktitel. Man war sich bei der Spielplankonzeption dieser Möglichkeit durchaus bewusst, wollte aber so einen neuen Impuls für künstlerisch anspruchsvolles Theater vermitteln. Die Inszenierungen polarisierten und regten zur Diskussion an. Damit brachte sich das Theater endlich wieder mit vorwiegend künstlerischen und inhaltlichen Themen ins Gespräch.

Der Publikumsstrom ins Mainfranken Theater begann so richtig im November, dann aber mit Macht. Die Opernproduktionen „La Boheme“ und „Die Entführung aus dem Serail“ weisen eine Auslastung von 80% bzw. 90% auf. Die freche Inszenierung von Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ brachte Regisseur und Haus zwar einiges an Kritik, dennoch gelang es, ein jüngeres Publikum auch mit der Gattung Operette ins Theater zu locken. Mit Gounods „Faust“ stand im Februar eine eher selten gespielte französische romantische Oper auf dem Plan. Auch hier wurde vom Unverständnis gegenüber der Inszenierung, über heftigste Kritik bis hin zu höchstem Lob die gesamte Palette der Meinungsäußerung voll ausgeschöpft. Mit dem „Herz“ von Hans Pfitzner brachte das Mainfranken Theater eine Ausgrabung auf die Bühne, die mit jubelnden überregionalen Kritiken europaweit für Furore sorgte. „Repertoirefähig, bravourös, hervorragend, überzeugend, fesselnd“ ist nur ein Auszug des Kritikervokabulars. Hier blieben die Auslastungszahlen mit 63% und die Annahme durch das Würzburger Publikum aber leider hinter den Erwartungen des Theaters zurück.

 

In der Sparte Schauspiel war die Kreation einer neuen Gattung, der POPerette „Singles“, eines der Highlights auf der Würzburger Bühne. Nach anfänglichem Zögern durch die Fußball Weltmeisterschaft waren und sind die letzten Vorstellungen trotz der großen Hitze nun ausverkauft. Ebenso verhielt es sich zu Beginn der Spielzeit mit der Produktion „Ödipus, Tyrann“, die mit 96% Auslastung im Monat November 2005 einen enormen Endspurt hinlegte, ausgezeichnete überregionale Presse (SZ: „Im Mainfranken Theater wird wieder selbstbewusste Kunst gemacht“) und viele Busse von Theater-Reisegruppen aus der gesamten Republik taten hier ein Übriges. Die Schauspielproduktion „Glaube Liebe Hoffnung“ stieß beim Würzburger Publikum ob der „modernen“ Inszenierung v. a. im Bereich des Bühnen- und Kostümbildes auf geteilte Meinungen, aber ein erster Preis bei den Bayerischen Theatertagen in Memmingen für eben dieses Kostümbild gab dem Regiekonzept seine Bestätigung.

Die Kammerproduktionen stießen ebenso auf unterschiedliche Resonanz wie die Produktionen im Großen Haus. „Bambiland“ von Elfriede Jelinek zeigte eine ZuschauerInnenfrequenz von rund 81% ebenso wie „4.48 Psychose“ von Sarah Kane auf der Schlussstrecke gar mit 86% aufwarten konnte. Die Nestroy-Posse „Häuptling Abendwind“ als Einmann-Show mit Christian Higer, hatte mit Mehrfachbesuchern zwar eine eigene Fangemeinde, dennoch hätte sich die Theaterleitung hier mehr Zuschauerinnen und Zuschauer gewünscht. Christian Higer wurde für seine Nestroy-Interpretation aber mit dem Preis als bester Darsteller bei den Bayerischen Theatertagen ausgezeichnet, was die Hoffnung lässt, dass das Stück eines Tages doch den erhofften Kultstatus erlangt.

 

Die Sparte Ballett stellte in diesem Jahr mit „Andersens Welt“ von Anna Vita das Weihnachtsmärchen. Nach der Premiere am 20. November 2005 überschlugen sich die begeisterten Stimmen, so dass die Freiverkaufs-Vorstellungen im Nu ausverkauft waren. Leider bedürfen die Vormittags-Schulvorstellungen aber einer längeren Planung, so dass beim Weihnachtsmärchen die Zuschauerzahlen weit hinter dem zurückblieben, was erwartet worden war. Es bleibt die Hoffnung, dass beim nächstjährigen Weihnachtsmärchen, dem Trommelevent „die Zaubertrommel“, mehr Vertrauen in die Arbeit des Theaters herrscht und möglichst viele (Schul-)Kinder die lange Wartezeit auf den Heiligen Abend mit einem Theaterbesuch verkürzen mögen. Das Kammerballett „Die Rattenfalle“ schrieb eine eigene Erfolgsgeschichte: eine Auslastung von 98%, Zusatztermine und die Erwägung einer Wiederaufnahme in der nächsten Spielzeit. Die Ballettproduktion „Requiem!!“ von der bekannten Choreografin Birgit Scherzer sprach das Ballettpublikum sehr an und pendelte sich mit einer Auslastung von 65% im oberen Mittelfeld ein.

 

 

 

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