Zunächst versuchte er, eine Nô-Oper zu schreiben, doch dann entschied er sich für eine Verbindung mit dem europäischen Mysterienspiel. Nicht äußerliche Kopie war sein Ziel, sondern Annäherung an innere Prinzipien des Nô-Theaters. Die Stücke wurden gegenüber dem Nô dramatischer und immer mehr christlich geprägt, gleichzeitig nutzte Britten immer stärker Formen aus verschiedenen Teilen Asiens.
Britten schrieb seine Parabeln zur Aufführung in einer Kirche, nicht in einem Theater mit Kirchendekoration. Die Kirche ist nicht Kulisse, sondern trägt als heiliger Ort Bedeutung.. Die Darsteller werden zu Liturgen, die ihre stilisierten Rollen mit Leib und Seele ausführen und so die Zuschauer bewegen.
Vieles ist ähnlich wie 2005: Eine Klostergemeinschaft führt im Geiste des japanischen Nô-Theaters ein biblisches Stück in der Kirche auf. Die Musik ist von japanischen Erfahrungen inspiriert, das Stück ähnelt aber einem mittelalterlichen Mysterienspiel. Zum Kloster gehören Mönche, Laienbrüder und Klosterschüler, die als Darsteller, Instrumentalisten und Kleindarsteller mitspielen. Regisseur Frank Düwel, Dirigent Boris Anifantakis und die meisten Darsteller sind wieder dabei. Das Team hat seine Auseinandersetzung mit dieser ungewöhnlichen Theaterform vertieft und vervollkommnet.
Der entscheidende Unterschied: Diesmal ist der Stoff aus dem Neuen Testament, nämlich das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Er verprasst sein Erbteil, kehrt elend und reumütig zurück und wird freudig wieder aufgenommen. In diesem dritten Teil seiner 1964-1968 entstandenen Kirchenopern-Trilogie verbindet Britten stärker als in den vorhergehenden Stücken die streng ritualisierten Formen des Nô („Können“) mit Psychologie. Dabei entstand die Figur des allgegenwärtigen Versuchers, der in die geheimen Wünsche des Sohnes eindringt. Neu ist aber auch die Lösung des Konfliktes: Das göttliche Eingreifen besteht nicht in einem Glaubenswunder, sondern in Reue und liebender menschlicher Verzeihung.
Nach dem Erfolg von „Die Jünglinge im Feuerofen“ 2005 setzt das Landestheater Detmold mit einer weiteren Kirchenoper von Benjamin Britten seine Kooperation mit dem Festival Musica sacra Paderborn fort.
„Der verlorene Sohn“
Parabel zur Aufführung in der Kirche op. 81 von Benjamin Britten
Premiere am 3. Oktober um 20.30 Uhr in der Heilig-Kreuz-Kirche
Weitere Vorstellungen 4. - 6. Oktober, jeweils um 20.30 Uhr Heilig-Kreuz-Kirche Detmold
16. Oktober Abdinghofkirche Paderborn um 19.30 Uhr