Standardisierte Sprachmuster, Alltagsweisheiten und Moralvorstellungen machen aus ihm ein Individuum, das ordentlich „Ich“ sagen kann und seine Kleidung nie falsch knöpft. Er kann sich repräsentieren, kann sich bemerkbar machen, doch der Disziplinierungsprozess, den er durchlaufen hat, kostet ihn auch die Freiheit, anders zu sein: ungeschlacht und sensibel, roh und poetisch.
Peter Handkes Kaspar unterzieht unsere Vorstellungen von Individualität einer scharfen Kritik: nicht Eigenständigkeit, sondern Leben in vorgegebenen Formen wird von der Gesellschaft belohnt. Was Kaspar auf der Bühne durchmacht, findet tagtäglich statt: sich anpassen, den anderen aufs Maul schauen um ihnen danach zu reden, sich gleichzeitig selbst behaupten und selbst verleugnen. Auf Facebook-Profilen und in Reality-Shows wird die Frage „Wer bin ich?“ durch Blättern in einem Katalog vordefinierter Charaktereigenschaften beantwortbar. Wer ausbricht, wird schief angesehen.
Veit Kassels Adaption von Handkes modernem Klassiker gibt dem gesellschaftlichen Anpassungsdruck ein Gesicht. Vier Darsteller – eine Gebärdensprachlerin, eine Tänzerin, ein Schauspieler und ein Bulgare – werfen sich hier mit ihrer jeweils eigenen Ausdrucksform auf die Bühne. Abwechselnd Gleichmacher und Gleichgemachte, unterziehen sie sich reihum dem Kaspar-Prozess. Die Anpassung wird nicht von außen gefordert, sondern entsteht aus der Mitte dieser kleinen Gemeinschaft, die doch nur eines will – Kaspar sein.
Veit Kassel wurde 1982 in Mülheim an der Ruhr geboren. Schon als Jugendlicher tritt er im Jugendclub des Schauspiels Bochum auf. Nach eigenen Regiearbeiten in der Schulzeit und im Rahmen der Regiewerkstatt des Schauspiels Bochum studiert er seit 2005 Schauspielregie an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Frankfurt. In der Spielzeit 08/09 inszenierte er am Stadttheater Gießen die Uraufführung von Andreas Sauter „Der Mann im Turm oder das Geheimnis der Zeit“. Auf dem Heidelberger Stückemarkt 2009 war im Rahmen des Projekts „Schiller sehen“ seine Uraufführung von Kristo Sagors „beide.“ zu sehen. Am Staatstheater Wiesbaden war er bereits im Juni 2009 beim Thementag „Erbgut“ mit der Stückentwicklung „Kon.fusion“ (in Zusammenarbeit mit dem Autor Björn Deigner) präsent. Mit „Kaspar“ schließt Veit Kassel sein Regiestudium ab.
In Kooperation mit der Hessischen Theaterakademie
Inszenierung Veit Kassel
Bühne und Kostüme Teresa Rinn
Sounddesign Bastian Zimmermann
Dramaturgie Georg Mellert
Mit: Angel Krastev, Daniel Kröhnert, Laura Parker, Tina Witthon
Weitere Termine: Samstag 6. Februar, Freitag 12. März und Samstag 13. März 2010
jeweils 20 Uhr, Wartburg