Der Tod ist die Rache Gottes an JEDERMANN, weil dieser ihn durch seinen Lebensstil beleidigt. Der Teufel versucht, ihn in die Hölle zu schicken. Der eilig wiedergefundene Glaube rettet JEDERMANN in den Himmel. Gott gelingt es, den sittlich verkommenen JEDERMANN eine Stunde vor seinem überraschenden Tod wieder auf den Pfad der Tugend, Demut und Gottesfurcht zurückzuführen. Dem christlichen Verständnis nach – JEDERMANN ist tot, seine Seele gerettet –, ist der Kampf um die verwirrte Seele also klar entschieden.
Von Hofmannsthals 1910 entstandenes, in mitteldeutscher Manier schüttelnd gereimtes Spiel vom Sterben des reichen Mannes wurde vor allem bekannt durch imposante Freilichtaufführungen im Rahmen der Salzburger Festspiele – und so zum wichtigsten deutschen Moralitäten-Spiel überhaupt. Der Stoff geht zurück auf den englischen EVERYMAN des 16. Jahrhunderts und ältere Quellen. Für von Hofmannsthal war er der Versuch, mit dem Theater das Chaos zu ordnen, in der Verwirrung seiner Gegenwart die Übersicht zu behalten.
Unsere Gegenwart ist womöglich noch komplizierter geworden. JEDERMANN ist ein anderer. Der Mythos aber erzählt das komplette Bild des Menschen, also auch unser Bild heute: das Bild des Menschen im Gespräch mit sich selbst, mit seiner Vergangenheit und Zukunft. Mit seinem Ende. So lässt sich von Hofmannsthals JEDERMANN verstehen als philosophisches Experiment. Als Menschenversuch, der durch die Radikalität seines Spielansatzes hervorsticht.
Uwe Bautz
mit Rosalind Baffoe, Friederike Bernhardt, Edgar Eckert, Sarah Franke, Manuel Harder, Andrej Kaminsky, Hagen Oechel, Barbara Trommer
Regie: Jürgen Kruse
Bühne: Volker Hintermeier
Kostüme: Sebastian Ellrich
Dramaturgie: Uwe Bautz