
Im ersten Akt begegnen sich schicksalhaft das Zwillingspaar Siegmund und Sieglinde, das von Sieglindes Ehemann Hunding argwöhnisch belauert wird. Siegmund rührt mit seinen Erzählungen das Herz Sieglindes. Ein Lichtkegel signalisiert geheimnisvoll die Nähe zur Esche. Das Aufeinandertreffen der Geschwister lässt dann die gemeinsame Kindheit auferstehen. Doch ganz am Ende eskaliert das Geschehen elektrisierend: Der wütende Hunding entdeckt seine Frau mit dem Liebhaber und fährt dazwischen. Sofort fällt der Vorhang.
Der nächste Morgen steht bei dieser Inszenierung zwischen gewaltigen Treppenaufgängen ganz im "Willen unseres Vaters". Im Atrium findet sich die Großfamilie an Freias Sarg, die nicht verwinden konnte, was ihr bei ihrer Entführung zugestoßen war. Fricka unterbricht dann schroff das Aufeinandertreffen mit Wotans Lieblingstochter Brünnhilde, seine Frau bezichtigt ihn unzähliger Vergehen. Valentin Schwarz beschreibt hier packend die großen Seelennöte des verzweifelten Göttervaters, der um den Erhalt seiner Welt ringt. Unterdessen flüchtet das Zwillingspaar in Walhalls unendliche Leere. Siegmund nimmt das ungeborene Kind Sieglindes als sein Kind an. Das Geschehen steigert sich bei dieser Inszenierung dann ungeheuer packend und dramatisch. Im Kampf mit Hunding verliert Siegmund schließlich sein Leben. Und Brünnhilde flieht mit Sieglinde vor Wotans maßloser Wut.
Der dritte Aufzug spielt in einem seltsam-eleganten Warteraum, an den man sich als Zuschauer allerdings erst gewöhnen muss. Die acht Wotanstöchter huldigen dabei in grotesker Weise dem Schönheitskult. Brünnhilde bittet zusammen mit Sieglinde um Hilfe für das Neugeborene. Eine verstörende Männer-Gruppe bedrängt die Frauen, wird aber vereinzelt auch von diesen beherrscht und unterdrückt. Es ist eine Szene, aus der man nicht ganz schlau wird. Sie ist der schwächste Teil dieser insgesamt doch sehr bewegenden Inszenierung. Imposante Größe erhält aber der Abschied Wotans von seiner Lieblingstochter Brünnhilde. Allerdings zündet er nur ein Feuerzeug an. Und Fricka greift aktiv ins Geschehen ein. Sie erscheint zum versöhnlichen Rendezvous. Aber ihr Mann Wotan lässt sie stehen. Und er rennt geradezu gegen die undurchdringliche Eisenwand an, die ihn dann zuletzt von seiner Lieblingstochter trennt. Wie Wotan sein altes Leben hinter sich lässt, ist bei dieser Aufführung sehenswert.
Simone Young leitet das Bayreuther Festspielorchester mit großem Einfühlungsvermögen. Der musikalisch-dramatische Aufbau des ersten Aktes besitzt hier tatsächlich eine erschütternde Folgerichtigkeit und ungeheure Steigerungsmacht, die man nicht vergessen kann. Und auch die leitthematische Verflechtung der Motive kommt keineswegs zu kurz. Der öfters als schwächer empfundene zweite Akt erreicht gerade unter Simone Young eine packende Reife und Dichte, die sich vor allem in der ergreifenenden "Todverkündigung" mit Siegmund und Brünnhilde offenbart. Die Lebendigkeit der Walkürenszenen im dritten Akt besitzen wahrhaft feurige Glut, deren Intensität nicht nachlässt. Der weite dramaturgische Spannungsbogen wird konsequent durchgehalten.
Die elementare Natursituation des Gewitters mit seinen atemberaubenden Affektenergien überträgt sich konsequent auf die einzelnen Sängerinnen und Sänger. Michael Spyres als Siegmund lässt als Heldentenor alle Register voll aufleuchten. Jennifer Holloway steht ihm als Sieglinde in nichts nach. Vitalij Kowaljow lässt mit des Basses Urgewalt als Hunding seinen zerstörerischen Eifersuchtsphantasien freien Lauf, während Tomasz Konieczny als Wotan sein imposant-selbstquälerisches Machtgehabe keineswegs unterdrückt. Eine hervorragende Fricka ist ferner Christa Mayer, die der vor allem in der Höhe aufstrahlenden Brünnhilde von Catherine Foster immer wieder Paroli bietet. Eine grandiose stimmliche Leistung vollbringen auch die Walküren Catherine Woodward (Gerhilde), Brit-Tone Müllertz (Ortlinde), Margaret Plummer (Waltraute), Christa Mayer (Schwertleite), Dorothea Herbert (Helmwige), Alexandra Ionis (Siegrune), Marie Henriette Reinhold (Grimgerde) und Noa Beinart (Rossweisse). Als Grane huscht auch noch Igor Schwab durch die Szene.
Musikalisch gibt es natürlich dank Simone Young ständig Neues zu entdecken. Bei ihr blüht Wagners Harmonik in erfrischender Weise auf, es verliert sich kein Detail. Die absteigende, fast schmerzvolle Melodie Siegmunds geht gleich im ersten Akt ins Gemüt. Sieglindes Thema in aufsteigenden Terzen gewinnt ungeahnte Präsenz. In den geteilten Celli hinterlässt das Motiv der Wälsungenliebe tiefe Spuren. Das Liebesthema wird zunächst vom Wälsungenleid-Motiv unterbrochen. Die dominante und drohende Gestalt Hundings ist rhythmisch scharf akzentuiert. Im zweiten Aufzug gewinnt Simone Young dem längeren Vorspiel eine fieberhafte Dramatik ab. Die leidenschaftlich-verzweifelte Liebesnacht der Geschwister wird angedeutet. Die Motive jagen sich bei diesem fieberhaften Dirigat gegenseitig: Das Schwert-, Wälsungenliebe-, Flucht- und Hunding-Motiv wecken bereits unheimlich den Rhythmus des Walkürenritts. Wildes Feuer erfüllt auch den Ehekrieg zwischen Wotan und Fricka. Vertrags- und Schwert-Motiv zeigen Charisma. Das feierliche Schicksals-Motiv in den Wagner-Tuben bei der Todesverkündigung mit ihrem Todesklage-Thema geht wirklich unter die Haut. Der unheimliche f-Moll-Zauber dieser großartigen Szene wird von Simone Young und dem Festspielorchester würdevoll eingefangen.
Wie der Todeswunsch hier durch Lebensverheißung verdrängt wird, ist erschütternd, denn die Brünnhilde von Catherine Foster verkündet in hell leuchtendem C-Dur Sieglinde ihre Schwangerschaft! Und auch die Klangpracht von Wotans Abschied und Feuerzauber im Zweiunddreißigstel-Gewebe mit dem kontrapunktischen Zauber des Entsagungs- und Schlaf-Motivs gewinnt dank Tomas Konieczny als Wotan einen immer größeren gesanglichen Radius. Das Siegfried-Motiv schillert dabei in den glühendsten Farben. Ovationen, Begeisterungsstürme!


















