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HIOB nach dem Roman von Joseph Roth - THEATER BIELEFELD

PREMIERE 14.11.2015, 19:30 Uhr, Theater am Alten Markt. -----

Die Geschichte von Hiob beginnt in einem jiddischen Schtetl irgendwo in Russland kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Dort lebt Mendel Singer. Mit ehrlichem Eifer und ohne aufsehenerregende Erfolge lehrt er seine Schüler die Thora und zieht seine drei Kinder groß. Doch dann schenkt ihm seine Frau Deborah einen weiteren Sohn, Menuchim. Menuchim scheint von Geburt an krank und zurückgeblieben.

»Der Schmerz wird ihn weise machen, die Hässlichkeit gütig, die Bitternis milde und die Krankheit stark«, prophezeit ein Rabbi, den Deborah in ihrer Verzweiflung aufsucht. Mendel fragt nicht und beklagt sich nicht, sondern duldet gottergeben sein Los, selbst als Schicksalsschlag auf Schicksalsschlag zu folgen beginnt: Der älteste Sohn zieht in den Krieg, der jüngere geht

nach Amerika, die Tochter lässt sich mit den Kosaken ein. Umnicht auch sie zu verlieren, wandert Mendel mit Frau und Tochter nach Amerika aus und lässt Menuchim zurück. Doch in der neuen Welt findet Mendel keinen Frieden. Heimatlos und entwurzelt hat er am Ende alles verloren – und beginnt, an

seinem Gott zu zweifeln. Aber dann passiert das Wunder: Menuchim kommt nach New York, gesund und als gefeierter Musiker. Die Prophezeiung des Rabbis ist eingetreten.

 

Mit seinem berühmten Roman schreibt Joseph Roth die alttestamentarische Geschichte Hiobs als eine berührende Familiensaga über den Wandel der Zeiten, die Fesseln der Tradition und die Auflösung familiärer Bindungen fort. Sein Text stellt die alttestamentarische Frage nach dem Grund des Leidens neu. Sein Hiob lebt in einer modernen Zeit, voller Wirren und großer Umwälzungen und in prekären

Verhältnissen. Arm und als Angehöriger einer Minderheit ständig bedroht, braucht er nichts mehr als Sicherheit und die findet er in einer rührend vorbehaltlosen Hinwendung zu Gott. Und in seinem festen Glauben an die eine, ewig gültige, seit alters her tradierte Wahrheit. Das ist sehr nachvollziehbar und

gleichzeitig sehr lebensfern.

 

Der unerschütterliche Glaube Hiobs, im Alten Testament noch Zeichen seiner moralischen Festigkeit, wird in der Jetztzeit zur Frage. Man könnte meinen, Mendel übersehe die Menschen, weil er beständig gen Himmel blicke. Vielleicht stirbt deshalb die Liebe zu seiner Frau und das Leben in seinem Haus. Vielleicht lädt er gerade dadurch Schuld auf sich, dass er nur seinem Gott und nicht den Menschen dient. Vielleicht wäre Menuchim längst gesundet, würde Mendel einen Krankenhausaufenthalt nicht als Sünde betrachten. Vielleicht. Bestimmt aber führt sein Versuch, alles festzuhalten, wie es ist, zum Gegenteil. Je stärker Mendel beharrt und glaubt, desto stärker rebellieren seine drei

gesunden Kinder. Der Konflikt zwischen Gott und Leben, Tradition und Gegenwart, Alt und Neu wird zur Zerreißprobe und sprengt schließlich die Familie. Mendel landet in der neuen Welt. Heimatloser könnte er nicht werden, größer nicht der Gegensatz zu allem, woran er glaubt. »Amerika, das heißt Fortschritt« und »frische, ahnungslose, gymnastischhygienische rationale Geistigkeit«, es ist das »Land, in dem Gold Gott ist«. (Joseph Roth) Und doch ereignet sich gerade hier, wider jede Wahrscheinlichkeit, das Wunder der Wiederkehr des kranken, verschollenen Sohns gleich einem

Propheten. Sind damit alle Gegensätze vereint? Hat sich Mendel am Ende mit dem Leben versöhnt? Oder war das Wunder doch nur ein schöner, zu allen Zeiten und immer wieder geträumter Traum?

 

INSZENIERUNG

Christian Schlüter ist seit der Spielzeit 2006/07 Oberspielleiter des Schauspiels am Theater Bielefeld, mit dem er zuvor viele Jahre als regelmäßiger Gastregisseur eng verbunden war. Christian Schlüter, geboren in Nesselwang im Allgäu, studierte nach seinem Abitur zunächst zwei Jahre

Theaterwissenschaften an der Universität in Bochum und von 1990-1994 Regie bei Jürgen Flimm und Manfred Brauneck in Hamburg. Nach seinem Studium war er bis 1998 als Regieassistent am Thalia Theater Hamburg tätig. Danach arbeitete er als freischaffender Regisseur und Lehrbeauftragter

am Studiengang Schauspieltheater-Regie in Hamburg. In Bielefeld inszenierte er zuletzt u.a. die Uraufführungen von Paul Austers Winterjournal und David Gieselmanns Die Oppelts haben ihr Haus verkauft sowie die Komödie Katze im Sack von Georges Feydeau. Schlüter brachte in den vergangenen Spielzeiten bereits zwei weitere Stücke von Steven Fechter zur deutschsprachigen

Erstaufführung: Die Kommission und The Woodsman.

 

Bühnenfassung von Koen Tachelet

 

Inszenierung

Christian Schlüter

Bühne

Jochen Schmitt

Kostüme

Clemens Leander

Puppenbau und

Coaching Puppenspiel

Oliver Köhler

Dramaturgie

Franziska Betz

 

Mit

Stephan Imholz // Doreen

Nixdorf // Jan Sabo // Jakob

Walser // Georg Böhm //

Guido Schikore

 

Die nächsten

Vorstellungen

17.11., 24.11., 25.11.,

14.12., 16.12., 25.12.,

26.12.

 

Karten

0521 / 51 54 54

www.theater-bielefeld.de

 

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