Wie klingt das, wenn man Musik ihrer Vergangenheit entreißt, ihr noch mal ein neues Gesicht gibt? Vielleicht wie eine Stummfilm-Musik, der Film dazu ist schon lange verlorengegangen. Vielleicht ergibt sich eine Zone wundersamer musikalischer Verwandlung und Wiedergeburt jenseits tradierter Genregrenzen.
In ihrem Projekt "Heimatflimmern" für das Alpentöne-Festival Altdorf haben sich zusammengetan: Jürg Kienberger (Schweiz), Klaus Trabitsch (Österreich) und Josef Brustmann (Deutschland). Sie trauen sich, Musik zu machen, der viele das Vertrauen schon entzogen haben und singen ihren Lieder in eine nicht mehr traute, sondern eher fremde Heimat hinein.
Jürg Kienberger singt exzellent verwegen, mal Sopran, mal Baß, er könnte einen ganzen Kirchenchor alleine ausstaffieren. Klaus Trabitsch, eine Stimme wie ein Druide, schneidert sich neue Lieder selber auf den Leib, wie das auch Josef Brustmann tut, dieser mit der Stimme eines oberbayerischen Lustmörders ausgestattet.
Wie drei Wilddiebe stolpern sie durch's musikalische Unterholz (Jodler, Gstanzl, Gebrauchmusik, Unterhaltungsmusik) und was und wen immer sie erwischen, sie ziehen ihm die Haut ab und sei es sich selber und schauen, was darunter und drinnen ist. Oft gehen sie auf dünnem Eis, die Kuh ist schon eingebrochen. Ihre Musik ist zerbrechlich wie die Glasharfe von Jürg Kienberger, vertraut-befremdlich wie der Steeldrum-Sound von Klaus Trabitsch und so vital und scheppernd wie die seit Jahren innen wie außen ungeputzte Tuba von Josef Brustmann. Und wenn dann Jürg Kienberger, die Schweizer Reinkarnation eines Charlie Chaplin einen heimatlichen Fahnentanz ganz ohne Fahne zeigt, dann gerät man doch ins Grübeln darüber, was denn Schweizer oder Österreicher oder Bayern wären, wenn sie nicht Schweizer, Österreicher oder Bayern wären? ... Vielleicht gar nichts?