Schier verzweifelt nehmen Bruder Ninetto und besonders Bruder Ciccillo sich des Auftrags an und beginnen nach einer Kommunikation mit den sehr verschiedenen Wesen zu suchen, um ihnen das Evangelium zu verkünden. Sie erlernen die Sprache der Falken und entdecken die Kommunikation der Spatzen. Einem Don Quixote gleich, versuchen sie sich in unendlicher Naivität dem verzweifelten Kampf um Frieden unter den Kreaturen zu stellen. Die beiden Mönche schaffen das Unmögliche und scheitern an der Natur.
Dabei switchen die Hüter immer wieder in verschiedene Sichtachsen des Geschehens, sie sind die klassischen Figuren des Theater des Lachens. Sie verrücken die Geschichte bis zur Kenntlichkeit und nutzen Zeit und Raum, sie machen sich daran in den Köpfen der Zuseher zu wandeln.
Schluchzend fällt Bruder Ciccillo auf die Knie und wendet sich direkt an Gott: „Sieh, ich hab` die Falken bekehrt und die Spatzen, wie es mir der hl. Franziskus befohlen hat, die Falken verehren dich, und die Spatzen verehren dich ebenfalls. Aber warum erkennt ein Falke in einem Spatzen nicht einen Falken, und warum erkennt ein Spatz in einem Falken nicht einen Spatzen?"
Der Pasolini-Stoff von 1965 handelt von der Krise des Marxismus, aber ebenso vom Christentum und seinem utopischem Potential, und vom Verhältnis der beiden Weltanschauungen zueinander. Eine Parabel für eine Menschheit, die sich vom Totalitätsanspruch der Ideologien zu befreien sucht, ohne deren jeweilige Werte aufzugeben. Ideologien sind nur Durchgangsphasen. In "Große Vögel - kleine Vögel" bleibt für die Menschen wenigstens noch die Hoffnung des Weges: Der Weg führt weiter, wohin auch immer.
Die "Trilogie der verblassenden Ideale" des Theater des Lachens Berlin, die mit den umgesetzten Filmvorlagen „Bamba" / „Wunder von Mailand" von de Sica (Koproduktion mit Festival La Strada Graz, Ensemble Materialtheater, FITZ Stuttgart, Theaterdiscounter Berlin) und mit Lina Wertmüllers "Liebe und Anarchie" (Koproduktion mit KosmosTheater Wien, Theaterdiscounter) begonnen hat, wird nun mit Pasolinis „Große Vögel, Kleine Vögel" beendet.
Wie schon in den beiden ersten Teilen zuvor, hat sich die Buntheit der närrischen Figuren zu Gunsten einer Zeichenhaftigkeit verschoben.
„Grosse Vögel, Kleine Vögel" als dritter Teil schliesst genau wie der zweite Teil „Liebe und Anarchie" nach Lina Wertmüllers Film als Arbeit direkt an die Figurentheaterproduktion „Bamba" mit dem Materialtheater Stuttgart an und bildet wohl meine lang gesuchte Verbindungslinie zwischen den beiden Genres. Hier: mit der Dramatik zu spielen und da: Dramatik spielen. So konsequent und gleichberechtigt nebeneinander wie in „Liebe und Anarchie" habe ich die Draufschau auf die Geschichte und die Innenansicht der Figuren in ihrer Verwebung bis jetzt nicht gewagt und es zeigt einen neuen Weg aus dem Geist des Puppentheaters meine Schauspielarbeiten weiter zu entwickeln. Diese Arbeit ist leiser, die Narren haben menschliche Züge, die Typen machen Individuen Platz, sie sind seltsam verletzlich geworden. Sie verlieren nicht und sind dennoch keine Sieger mehr. „Grosse Vögel" wird diesen Weg weiter gehen und vertiefen. Astrid Griesbach
Inszenierung Astrid Griesbach
Bühne Michael Walter
Musikalische Leitung Jürgen Kurz
Regieassistenz Thomas Böltken
Produktion Verena Busche
Es spielen Mathias Lenz, Julia Schranz und Ilka Teichmüller
Eine Produktion des Theater des Lachens Berlin / Artgenossenschaft in Koproduktion mit dem TAG
Weitere Vorstellungen: 25., 28 und 29. Oktober, 20 Uhr