Und ebenso treffen Hugos Worte den Kern des Musiktheaters Giuseppe Verdis. Denn auch deren schwärzeste Tragödien sind immer mit Grellem, Schrillem und praller Lebensfreude durchsetzt. Und umgekehrt erschöpfen sich Shakespeares Komödien nie im Klamottenhaften, sondern erzählen gleichermaßen von Untiefen hinter den Masken der Narrheiten. In ganz besonderer Weise gilt dies auch für Verdis Falstaff nach Shakespeares Merry Wives of Windsor und Henry IV. Verdis Alterswerk von 1893 ist alles andere als eine lustige Spieloper, sondern präsentiert sich ganz im Sinne Shakespeares: Eine der differenziertesten und komplexesten Partituren des 19. Jahrhunderts entfaltet ein hochvirtuoses Theaterspiel in seiner ursprünglichsten Form, im Sinne eines umfassenden – ebenso unterhaltsamen wie tiefgründigen – Welttheaters.
Falstaff, der in Bezug auf Essen und Trinken kein Maß kennt und zudem auch den eigenen Eros grandios überschätzt, wenn er glaubt, mit zwei Frauen gleichzeitig spielen zu können; die folgende weibliche Rache während eines vorgetäuschten Rendezvous; der dickbäuchige Don Juan, der vor dem eifersüchtigen Ehemann in einen Wäschekorb flüchten muss; ein arrangierter Spuk im nächtlichen Park – das sind Witz und Komik in ihrer reinsten Form.
Doch wie Verdi betonte, soll Falstaff mitnichten der tölpelhafte, »fettleibige Säufer« sein, sondern einer, »der immer Geist hat«. Falstaff ist ein individualistischer Außenseiter; einer, der von der Norm abweicht und durch seine Andersartigkeit die bürgerliche Ordnung aufmischt. Auch die Musik entlarvt in Bläserattacken und grell auskomponiertem Lachen die Aggressivität, die unter der Maske der bürgerlichen Moral verborgen liegen kann. Falstaff selbst setzt dem wüsten Treiben die Grenzen und schließt alle in das virtuose Spiel der Schlussfuge ein. Denn er weiß sehr gut um seinen wichtigen Platz als Außenseiter innerhalb der Gesellschaft: Das »briciolo di sale« – »das Körnchen Salz« und die nötige Würze wird dem Leben erst durch die schrägen Vögel, die Unangepassten, die Individualisten verliehen.
Libretto von Arrigo Boito nach The Merry Wives of Windsor (1597) und Szenen aus Henry IV. (1597) von William Shakespeare
in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Musikalische Leitung
Ivan Repušić
Olivier Tambosi
Frank Philipp Schlößmann
Kostüme
Inge Medert
Dan Ratiu
Dramaturgie
Dorothea Hartmann
Regiehospitanz
Gianna-Sophia Weise
Kostümassistenz
Elvira Freind
Sir John Falstaff
Stefan Adam
Ford
Martin Berner
Fenton
Philipp Heo
Doktor Cajus
Jörn Eichler
Bardolfo
Edgar Schäfer
Pistola
Frank Schneiders
Alice Ford
Arantxa Armentia / Nicole Chevalier
Nannetta
Ania Vegry
Mrs Quickly
Elzbieta Ardam
Meg Page
Mareike Morr
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Chor der Staatsoper Hannover
Termine
27.01. Do 18:30 Karten
29.01. Sa 19:30 Karten
02.02. Mi 19:30 Karten
05.02. Sa 19:30 Karten
09.02. Mi 19:30 Karten
04.03. Fr 19:30 Karten
26.03. Sa 19:30 Karten
31.03. Do 19:30 Karten
19.04. Di 19:30 Karten
07.05. Sa 19:30 Karten
26.05. Do 19:30 Karten