Auf Toscas gesangliche Mitwirkung greift das Königshaus anlässlich der Siegesfeier über Napoleon Bonaparte und die ihn unterstützende italienische Bevölkerung zurück. Nicht jeder Künstler bekommt derartige Gelegenheiten. Folglich müssen Tosca und Cavaradossi begnadete Künstler sein.
Ihr besonderer Status rettet beide nicht vor der privat motivierten Verfolgung und dem Zugriff des Polizeichefs Scarpia. Der steuert die in Folter und Hinrichtung mündende politische Maschinerie zur Sicherung zurückgewonnener Macht des Königshauses. Weder für Tosca noch Cavaradossi gibt es einen davor schützenden Raum: Die Kirche ist ebenso ein Ort für Scarpias Zugriffe wie der Palazzo, in dem er seine Räume hat. Die Künstler bewegen sich in den Räumen der Machtzentrale und bemerken ihre persönliche Unfreiheit nicht.
Cavaradossis Liaison mit Tosca und seine Arbeit würden vielleicht einen alltäglichen Verlauf nehmen, wenn da nicht Scarpia auf der Lauer läge. In der Kirche spürt er nicht nur dem geflohenen politischen Gefangenen Angelotti nach, sondern auch den privaten Beziehungen Cavaradossis. Hier schürt er die Eifersucht Toscas und erhebt über das Te Deum der Gemeinde seine Lüsternheit.
In seinem Arbeitszimmer im Palazzo versucht er sich Toscas zu bemächtigen und steuert parallel die Folterung des inzwischen verhafteten Cavaradossi. Er geht «nur seiner Arbeit nach» und benutzt sie als Druckmittel gegenüber Tosca, die mit dem Geliebten leidet und ihn frei bekommen will. So macht Scarpia räumliche Sinnbilder der Macht zu jenen privater Intimität und Vergeltung. Dadurch, dass der politische Gefangene Angelotti in die Kirche geflohen ist und Cavaradossi ihm Fluchthilfe anbietet, gerät der Maler in Scarpias Maschinerie. Mit ihm Tosca, die von Scarpia begehrt wird und deren Abweisungen seinen Jagdsinn reizen. Also setzt Scarpia die ihm zur Verfügung stehende polizeiliche Gewalt im satanischen Spiel mit Tosca und Cavaradossi ein. Dem äußeren Anschein nach geht er legitim seinem Auftrag nach, Gegner aufzuspüren.
Sowohl Cavaradossi als auch Tosca rechnen nicht damit, ernsthaft in Schwierigkeiten mit der Obrigkeit, sprich Geheimpolizei, geraten zu können. Die Sängerin hält ohnehin zu Monarchie und Klerus, der Maler macht keinen Hehl daraus, mit der Opposition zu sympathisieren. Er ist als Anhänger der Ideen Voltaires, einem der Wegbereiter der Französischen Revolution, bekannt. Beide gehen von einer Freiheit aus, die sie nicht haben – und sind tödlich verwundbar.
Die Geschichte dieser drei leidenschaftlichen Menschen ereignet sich inmitten politischer Unruhen und ständiger Umbrüche in Italien. Die historischen Ereignisse existieren und lassen die Zeit der Handlung genau orten. Es ist der 17. Juni 1800, als Angelotti aus der Engelsburg flieht, Cavaradossi gefoltert wird, Tosca Scarpia tötet, und der 18. Juni 1800, als Cavaradossi im Morgengrauen hingerichtet wird und Tosca sich das Leben nimmt.
Die Hauptakteure haben gewisse Ähnlichkeiten mit dem Profil der einen und anderen historischen Persönlichkeit, historisch verbürgt ist nur der politische Gefangene Angelotti, einstiger Konsul der Republik Rom, jetzt Verfolgter, weil Adel und Klerus auf Siegeszug sind.
Die Schauplätze in der Stadt Rom sind authentisch: Kirche Sant’ Andrea della Valle mit rechtem Seitenschiff Capella Lancelotti, Palazzo Farnese, Engelsburg. Trotzdem lädt Puccini nicht zum Historienspektakel mit Sightseeing ein. Vor dem Hintergrund historischer Ereignisse und Schauplätze stehen Menschen, die sich inmitten politischer Kräftefeldern privat-menschlich verhalten oder politische Handlanger mit persönlichen Motiven sind.
«Tosca» in Dresden
Nach der Uraufführung am 14. Januar 1900 am Teatro Costanzi Rom fand die deutsche Erstaufführung am 21.10.1902 unter Ernst von Schuch an der Hofoper Dresden statt. Es folgten sechs weitere Neuinszenierungen in den Jahren 1910/ 1920 / 1946 / 1960 / 1974 und 1993.
Musikalisches Drama in drei Akten von Giacomo Puccini
nach dem Schauspiel «La Tosca» von Victorien Sardou
Libretto: Giuseppe Giacosa und Luigi Illica*
Musikalische Leitung Ivan Anguélov
Inszenierung Johannes Schaaf
Bühnenbild Christoph Cremer
Kostüm Petra Reinhardt
Licht Jan Seeger
Choreinstudierung Christof Bauer
Dramaturgie Ilsedore Reinsberg
Floria Tosca Emily Magee (Tosca Rollendebüt)
Mario Cavaradossi Aleksandr Antonenko
Baron Scarpia Lucio Gallo
Cesare Angelotti Sangmin Lee
Der Mesner Matthias Henneberg
Spoletta Timothy Oliver
Sciarrone Peter Lobert
Es singen der Staatsopernchor und der Kinderchor
Es spielt die Sächsische Staatskapelle Dresden
Giacomo Puccini«Tosca»
weitere Vorstellungen: 3. | 6. | 8. | 11. | 16. Februar 2009
Karten: Schinkelwache, Theaterplatz 2, 01067 Dresden
Tel.: 0351 | 4911 705 E-Mail: bestellung@semperoper.de
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