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GEHEIMNISVOLLER WELLENZAUBER -- SWR Symphonieorchester unter Giedre Slekyte im Beethovensaal der Liederhalle STUTTGART

am 27.6.2025

Wieder glänzte das SWR Symphonieorchester unter der famosen Leitung der litauischen Dirigentin Giedre Slekyte mit einem aussergewöhnlichen Programm. Zunächst beeindruckte der französische Cellist Jean-Guihen Queyras bei Antonin Dvoraks Konzert für Violoncello und Orchester in h-Moll op. 104. Als letzte seiner amerikanischen Arbeiten wurde es Anfang 1895 vollendet.

 

Dem Solisten bietet dieses Konzert großartige Möglichkeiten, die Jean-Guihen Queyras souverän nutzte. Die Melodien sprudelten wie ein bewegender Liebesgruß an die böhmische Heimat hervor. Das Hauptthema des Allegro wirkte zunächst gebändigt, der Satz baute sich dann nach großzügig gehandhabtem Sonatenschema  in imponierender Weise auf. Die ganze Energie dieses Hauptthemas konnte sich so voll entfalten. Auch die Stimme der Sehnsucht kam nicht zu kurz, leidenschaftliche Lyrik setzte sich durch, die im Adagio ma non troppo dann endlich frei ausströmen durfte. Hier behauptete sich anfangs eine gütig-innig vorgetragene Weise, die das Heimweh einer Melodie von Dvorak berührend heraufbeschwor: "Lass mich allein in meinen Träumen gehn". Das Finale, Allegro moderato, begeisterte bei dieser Interpretation als überaus effektvolles Rondo, zu dem der Solist Jean-Guihen Queyras stürmisch den Auftakt gab. Zwei berührend musizierte lyrische Episoden riefen neue böhmische Stimmungsbilder in Erinnerung, bevor das verbreiterte Hauptthema zum Abschluss alle seine musikantische Pracht zeigte. Als Zugabe spielte Queyras noch wunderbar intensiv einen Ausschnitt aus der zweiten Solo-Cellosuite von Johann Sebastian Bach sowie ein einfühlsames ukrainisches Liebeslied. 

Ein unheimlicher harmonischer Sog erfüllte dann die aufwühlende Wiedergabe der Fantasie für großes  Orchester "Die Seejungfrau" von Alexander Zemlinsky nach dem Märchen von Hans Christian Andersen. Zwischen Harfen-Glissandi und wilden Tremolo-Passagen der Streicher behauptete sich hier das sehr bewegte Thema des ersten Satzes. Ein Bläserchoral begleitete die oftmals zerfließenden Streicher-Passagen. Ostinato-Sequenzen und Klarinetten-Motive schufen weitere markante Akzente. Zemlinsky hat in diesem Werk auch seine unglückliche Liebesbeziehung zu Alma Schindler verarbeitet, von der er sich trennen musste, weil sie Gustav Mahler geheiratet hatte. In der "Seejungfrau" geht es ebenfalls um unerfüllte Liebe. Die Titelheldin bekommt ihren Prinzen nicht und muss wieder im Wasser verschwinden. Zuletzt löst sie sich in Luftschaum auf. Versteckte Anklänge an  Arnold Schönbergs Tondichtung "Pelleas et Melisande" waren hier ebenso herauszuhören wie die gewaltigen dynamischen Steigerungen von Zemlinskys "Lyrischer Sinfonie". Für die Atmosphäre des Meeres schuf Zemlinsky überaus eindrucksvolle und aufwühlende harmonische Bilder, die im tragischen Bläserchoral gipfelten, was das SWR Symphonieorchester unter Slekyte überzeugend betonte. Da zeigt sich der Komponist als Spätromantiker, der in die Moderne weist. Ein betörender Wellenzauber beherrschte den Beethovensaal! Themen und Motive befruchteten sich gegenseitig. Die beiden weiteren Sätze "Sehr bewegt, rauschend" und "Sehr gedehnt, mit schmerzvollem Ausdruck" gingen hier in geheimnisvoller Weise ineinander über. 

Lang anhaltender Schlussapplaus und "Bravo"-Rufe. 
 
 

 

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