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"Früchte des Zorns" nach dem Roman von John Steinbeck, Städtische Bühnen Münster

Premiere: Mittwoch, 02. Dezember 2009, 19.30 h, Kleines Haus

 

Die Familie Joad verliert ihre Farm und sucht Arbeit. Ihr Weg von Oklahoma nach Kalifornien bringt schlecht bezahlte Jobs und eine Odyssee von einem Notquartier zum nächsten.

 

Er wird zur Bewährungsprobe für den Zusammenhalt der Familie: Der Überlebenskampf um Arbeit und Nahrung reißt sie auseinander. Die archaische Realität des Frühkapitalismus lässt sie am Ende im regenüberfluteten Kalifornien vor dem Nichts stehen.

 

Tom Joad wird auf Bewährung entlassen und trifft den ehemaligen Priester Jim Casy, der die Religion über den Haufen geworfen hat. Das Haus der Familie Joad und die umliegenden Farmen im dürregeplagten Oklahoma sind verödet. Banken haben die Bauern vertrieben und ihre Häuser zerstören lassen. Handzettel versprechen gut bezahlte Arbeit auf kalifornischen Obstplantagen. Darum tauschen die Joads ihren Besitz gegen einen schrottreifen Lastwagen und machen sich voll Hoffnung auf den Weg nach Westen. Doch nach kurzer Zeit stirbt der Großvater und Gerüchte stellen die Reise in Frage. Für alle reicht die Arbeit nicht und Flüchtlingskinder verhungern – so erzählen es zurückkehrende Migranten. Aber die Joads bewahren ihre Hoffnung auf den Fortschritt. In Kalifornien gibt es keine Arbeit oder sie ist schlecht bezahlt. Der Lohn reicht kaum für das Essen und die Familie irrt von einem Elendsquartier ins nächste. Der Kampf um Arbeit und Nahrung eskaliert: Die Polizei zettelt Schlägereien an, Casy wird ermordet, Tom tötet den Mörder und versteckt sich vor der Polizei, sein Bruder Noah will nicht mehr weiterziehen und die schwangere Rosasharn wird von ihrem Mann verlassen.

 

Die Familie Joad zerfällt. Am Ende der Baumwollsaison gibt es gar keine Arbeit mehr, und Rosasharn entbindet ein totes Kind. Aber mit dem Zerfall der Familie entwickelt sich eine immer stärkere Solidarität mit den Leidensge-fährten auf der Straße. Unter Verwendung biblischer Motive erfindet John Steinbeck einen Mythos vom sozialen Elend der Arbeitsmigranten und der eskalierenden ökonomischen und gesellschaftlichen Situation zur Zeit der Weltwirtschaftskrise.

 

Der Romantitel „Früchte des Zorns“ ist ein Zitat aus dem zweiten Vers von Julia Ward Howes’ „Schlachthymne der Republik“ (engl. „The Battle Hymn of the Re-public“) aus den Anfängen des Bürgerkriegs 1862. Ein Zitat des Textes in Kapitel 25 des Romans artikuliert die Wut der ausgebeuteten Einwanderer: „In den Herzen der Menschen wachsen die Früchte des Zorns und werden schwer, schwer und reif zur Ernte.“ Gleichzeitig verweist der Titel auf die Biblische Offenbarung des Johannes (14,19 EU).

 

Formal ungewöhnlich für einen Roman sind die epischen Zwischenkapitel, die im Wechsel mit der Geschichte der Joads den Erzählfluss unterbrechen: die Einschübe ordnen die Entwicklung in einen größeren Zusammenhang ein und verleihen dem Roman epische Breite jenseits der individuellen Geschichte. Einige der Zwischenkapitel erinnern an Reportagen und liefern Informationen über den Alltag der Migranten. Andere beschreiben die politischen Ursachen für die Misere der Migranten: die Verantwortungslosigkeit der Landbesitzer, die gewissenlose Ausbeutung, den Verlust ethischer Werte und zunehmenden Rassismus. Diese Kapitel sind unmittelbar mit der Handlung um die Joads verknüpft und werden so am Einzelfall anschaulich.

 

Für „Früchte des Zorns“ erhielt der US-amerikanische Autor John Steinbeck 1940 den Pulitzerpreis. Zwischen 1935 und 1938 herrschte in Oklahoma eine verheerende Dürre, 15 Prozent der Landbevölkerung flohen nach Kalifornien und suchten dort Arbeit. Im Laufe der 1930er Jahre überquerten 400.000 Migranten aus Oklahoma, Texas, Arkansas und Missouri auf der Suche nach Arbeit die Grenze nach Kalifornien. Die ausgehungerten Menschenscharen an den Stadträndern und in Barackenlagern, in Großstadtslums und in den Straßengräben waren allgegenwärtig. Steinbecks Engagement für diese Menschen ist mit den Maßnahmen des von Roosevelt eingeleiteten „New Deal“ verknüpft.

 

Viele Schriftsteller hatten sich schon Anfang der 1930er verstärkt der zeitgenössischen Wirklichkeit zugewandt und fühlten sich im Angesicht des akuten Elends moralisch in die Pflicht genommen. Das Federal Wri-ters’ Project für Schriftsteller ermutigte Autoren, in Reportagen und Interviews die aktuelle Situation zur Sprache zu bringen. Viele Autoren sahen nun ihr Schreiben gesellschaftlich legitimiert als eine Form des politischen Aktivismus. Sie wollten mit einer realistischen Bestandsaufnahme auf eine Veränderung hinarbeiten. Steinbeck schrieb 1936 für die „San Francisco News“ die Reportagereihe The Harvest Gypsies (deutsch: Erntezigeuner) über die Situation der Migranten. Auf seiner Rechercherei-se lernte Steinbeck Tom Collins kennen, den Manager eines der staatlichen Auffang-lager (sanitary camps), dem er den Roman Früchte des Zorns widmete.

 

Steinbecks Arbeitsnomaden im Kalifornien der 1930er Jahre zwischen Dürrekatastrophe und Weltwirtschaftskrise sind Vorreiter heutiger Arbeitsmigranten. Ihr Schicksal spiegelt sich in der gegenwärtigen Krise des globalen Kapitalismus, die Menschen zu Konkurrenten um Arbeit macht.

 

Deutsch von Klaus Lambrecht

 

Die Städtischen Bühnen Münster zeigen Steinbecks Roman in einer eigenen Theaterfassung von Ralph Blase für elf Darsteller.

 

Regie: Markus Kopf

Bühne : Manfred Kaderk

Kostüme/ Ausstattungsassistenz: Jaqueline Schienbein

Komposition/ Musikalische Leitung: Robert Kretzschmar

Dramaturgie: Justus Wenke

 

Mitwirkende:

Regine Andratschke (Sairy Wilson), Cornelia Niemann (Mutter Joad), Carolin M. Wirth (Rosashawn Joad), Matthias Caspari (Tom Joad), Bernhard Glose (Connie), Ilja Harjes (Al Joad), Johannes-Paul Kindler (Vater Joad), Tim Mackenbrock (Noah Joad), Marek Sarnowski (Onkel John), Johann Schibli (Prediger Casy), Wendelin Starcke-Brauer (Großvater Joad) und Ensemble als Chor

 

Matinee:

Sonntag, 29. November, 11.30 Uhr, Theatertreff

 

KostProbe:

Montag, 30. November, 19.00 Uhr, Kleines Haus

 

Weitere Vorstellungen im Dezember:

Freitag, 04. Dezember, 19..30 h

Mittwoch, 09. Dezember, 19.30 h

Donnerstag, 10. Dezember, 19.30 h

Samstag, 12. Dezember, 19.30 h

Freitag, 18. Dezember, 19.30 h

Mittwoch, 23. Dezember, 19.30 h

 

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