Ein Gutachten eines chemischen Institutes bestätigt, dass das Heilwasser – der Touristenmagnet der Stadt, an den sich alle Hoffnungen für einen Aufschwung knüpfen – gesundheitsschädlich ist. Um das Gift zu bannen, sind aufwendige und zeitraubende Umbauten nötig. Bald hat Dr. Stockmann die ganzen Honoratioren sowie die Bürgerschaft der Stadt gegen sich, denn keiner möchte die lukrative Einnahmequelle verlieren.
Der Arzt löst mit seiner Entdeckung eine heftige politische Kontroverse aus. Er stösst mehr und mehr auf Empörung und Ablehnung, da die von ihm vorgeschlagene Änderung mehrere Millionen verschlingen würde und das Kurbad während zwei Jahren geschlossen bleiben müsste. Als sich Stockmann an einer Volksversammlung in aller Deutlichkeit gegen die Machenschaften der Behörden und gegen die Vertuschung eines Skandals wendet, wird er für alle zum Volksfeind.
Der Arzt stellt das demokratische System, das ihm als ausgehöhlt und verfilzt vorkommt, grundsätzlich zur Disposition. Das verschmutze Wasser wird zum Sinnbild für die alltägliche Ignoranz von vorhandenen Tatbeständen und den daraus erwachsenden Notwendigkeiten für persönliches Handeln.
Das Schauspiel in Biel Solothurn bleibt Skandinavien treu. Nach dem zeitgenössischen Stück „Fünf Mal Gott“ des schwedischen Autors Jonas Hassen Khemiri im Dezember kommt ab Mitte Januar der neben August Strindberg bedeutendste Dramatiker Skandinaviens zu Wort: Henrik Ibsen.
Sein Stück „Ein Volksfeind“ ist ein Öko-Drama, wie es sich auch heute zutragen könnte. Die vor rund 130 Jahren entstandene Geschichte stellt die physische Gesundheit des Einzelnen den ökonomischen Interessen einer Kleinstadt gegenüber, beleuchtet das moralische Engagement eines Einzelkämpfers im Kampf gegen die Mehrheit einer Gemeinschaft. Eine von ihrem heilenden Kurbad abhängige Kleinstadt diffamiert den Kurarzt als Volksfeind, als dieser öffentlich macht, dass das Wasser im Bad vergiftet sei. Der Arzt kämpft gegen die irrationalen Tendenzen der Massen und zugleich gegen die scheinheilige und korrupte Natur des politischen Systems.
„Ein Volksfeind“ („En Folkefiende“) ist ein Stück über das Wesen der Demokratie. Es stellt die Überzeugung des Einzelnen der populistischen Mehrheit gegenüber. Ibsen kritisiert, dass die öffentliche Meinung oft als Wahrheit akzeptiert werde. Er schrieb das Stück als Antwort auf die öffentliche Kritik an seinem vorherigen Drama „Gespenster“, welches zu seiner Zeit als skandalös galt, da es die herrschenden Konventionen kritisierte.
Schauspielleiterin Katharina Rupp inszeniert das Stück aufgrund einer eigenen Textfassung in einer heutigen Sprache. In einem schlichten, reduzierten Bühnenbild von Cornelia Brunn schält sie die Aktualität des Stoffes heraus. Die Volksversammlung des 4. Aktes findet in Solothurn als Talkshow in einem Fernsehstudio statt.
Fassung von Katharina Rupp nach der Übersetzung von Christian Morgenstern
Inszenierung Katharina Rupp
Bühne und Kostüme Cornelia Brunn
Dramaturgie Silvie von Kaenel
Licht Samuel Schmid
Video und Grafik Christian Gritzner
Editing und Grafik Daniel Rohrer
Dr. Thomas Stockmann, Badearzt Günter Baumann
Kitty Stockmann, seine Frau Katja Tippelt
Peter Stockmann, Stadtpräsident, sein Bruder Gerhard Palder
Morten Kiil, Kittys Pflegevater Raoul Serda
Anne Billing, TV-Journalistin Barbara Grimm
Hovstad, Journalist und Redakteur des Tagblatt Matthias Schoch
Aslaksen, Besitzer des Tagblatt René-Philippe Meyer
Statisterie Olivia Graf, Mina Ruoss, Noemi
Zengaffinen, Franz Grimm, Rudolf Kaiser,
Sam Kuenti, Thomas Pfister, Reto
Portmann, Kaspar Rechsteiner