"Fracht (Nautisches Denken I - IV)" von Ulrike Syha
Die Zusammenarbeit mit der renommierten und mehrfach preisgekrönten Autorin Ulrike Syha setzt das Schauspiel Chemnitz auch in der aktuellen Spielzeit fort. Nach dem letztjährigen Erfolg ihres Stückes „Privatleben“ in der Inszenierung von Dieter Boyer, das mit einer Einladung zu den Mülheimer Theatertagen 2009 ausgezeichnet wurde, hat sie im Auftrag der Theater Chemnitz einen neuen Text geschrieben, dessen Uraufführung nun am 6. Februar im Schauspiel Chemnitz stattfindet. Getreu dem Motto „never change a winning team“ wird erneut der Regisseur Dieter Boyer für die Inszenierung verantwortlich zeichnen.
Zum Stück
Auf einem Flughafen warten vier Namenlose auf den Start ihrer Maschinen - ein Unternehmensberater, ein Rechtsberater, eine PR-Beraterin und eine Dolmetscherin. Sie kennen sich nicht; sie haben nichts miteinander zu tun. Nur das aktuelle Ereignis der Entführung eines Öltankers verbindet sie mit einem unsichtbaren Faden. Piraterie auf den Weltmeeren und dazwischen vier Menschen mit ihren Geschichten. Ähnlich den Routen der abertausend Schiffe, die täglich Waren über das Wasser transportieren, wird ein Netz aus Lebenslinien und Fluchtbahnen der vier gesponnen. Sie sind Vertreter eines „nautischen Denkens“, stehen in ihren Funktionen für Globalisierung, für weltumspannende Ökonomie und Strategie. Gleichzeitig schlingern sie isoliert und orientierungslos durch ihr eigenes Leben. Die Figuren haben kaum mehr eine Handbreit Wasser unterm Kiel oder stehen kurz vor dem Kentern.
Zur Inszenierung
Nicht mehr als anderthalb Meter Tiefe und ca. fünf Meter Breite haben die vier Schauspieler auf der Bühne, um ihre Geschichten zu erzählen und sich dafür Raum zu nehmen. Sie werden sich nicht aus dem Weg gehen können, werden sich zu nahe kommen, werden Distanzen aufbauen, um sie wieder zu brechen, werden über- und untereinander agieren, werden immer unsicher ihren Platz behaupten, stetig in Gefahr, jeden Moment zu fallen, zu stolpern oder zu explodieren. Der Ausstatter Ralph Zeger lässt den Schauspielern in seinem Bühnenbild nur die Vorbühne der Kleinen Bühne zum spielen, diese anderthalb Meter vor dem Portal. Die damit verbundene szenische Zuspitzung, die der Regisseur Dieter Boyer erreichen möchte, wirkt sich nicht nur auf das Spiel der Akteure aus, sondern vor allem auf die Interaktion der Figuren im Raum. Sie müssen dort einander begegnen, sind sich gegenseitig ausgesetzt und müssen gnadenlos die Reaktion der anderen auf ihre Geschichten aushalten. Was an menschlichem Sprengstoff dabei entsteht, wird zur Premiere der Inszenierung zu erleben sein.
Regie: Dieter Boyer
Ausstattung: Ralph Zeger
Es spielen in zahlreichen Rollen: Julia Berke, Bettina Schmidt, Bernd-Michael Baier und Karl Sebastian Liebich
"Glaube Liebe Hoffnung" von Ödön von Horváth
Das Fräulein Elisabeth hat gehört, dass man dem Anatomischen Institut schon zu Lebzeiten den eigenen Körper verkaufen kann – und dafür sofort 150 Mark erhält. Exakt die Summe, die sie für den Wandergewerbeschein benötigt, der ihr die geplante Selbständigkeit erlaubt. Eine Fehlinformation, wie sich herausstellt.
Aber dafür wird in der Anatomie der Vizepräparator auf Elisabeth aufmerksam – ebenso wie später der Polizist Alfons Klostermeyer: Elisabeth gerät in einen abgründigen Reigen, bestückt mit Figuren, die nur eines interessiert – das eigene Überleben in Zeiten der wirtschaftlichen und sozialen Krise. Eine Folge kleiner, skizzenhafter Szenen verdichtet sich zum Kaleidoskop einer fragilen Gesellschaft, in der das Fräulein Elisabeth versucht, nicht unterzugehen.
Ödön von Horváth (1901 – 1938), einer der prägendsten Dramatiker des 20. Jahrhunderts, wurde berühmt für die messerscharf beobachtete und hochsensible Sprache, die er seinen Figuren ersann. Eine Sprache, die sich immer wieder in eine penibel notierte „Stille“ zurückzieht – und dabei den Blick freigibt auf all das, was zwischen den Figuren unausgesprochen bleibt.
„Glaube Liebe Hoffnung“, entstanden kurz nach der Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre, zählt zu Horváths leisesten und berührendsten Stücken. Unheimlich genau analysiert es eine Zeit, die neuerdings immer weniger vergangen scheint.
Die bereits geplante Uraufführung des Stückes 1933 am Deutschen Theater Berlin wurde durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten verhindert und fand dann 1936 in einer geänderten Fassung unter dem Titel „Liebe, Pflicht und Hoffnung“ in Wien statt.
Regie: Enrico Lübbe
Bühne: Henrik Ahr
Kostüme: Sabine Blickenstorfer
Musik: Bert Wrede
mit: Daniela Keckeis (Elisabeth), Wenzel Banneyer (Alfons Klostermeyer), Marius Marx (Oberpräparator), Michael Pempelforth (Präparator), Yves Hinrichs (Vizepräparator), Klaus Schleiff (Baron), Muriel Wenger (Irene Prantl), Ulrike Euen (Frau Amtsgerichtsrat), Bernhard Conrad (Buchhalter), Claudia Kraus (Maria), Tilo Krügel (Oberinspektor), Jannik Nowak (Joachim)