Kommen Sie näher, treten Sie ein – in die wundersame Welt des Doktor Faust! Ein bisschen erinnert sie vielleicht an eine Zaubershow, diese »Dichtung in Musik« von Ferruccio Busoni, ganz elementar aber an das Puppenspiel, auf das der Autor selbst hinweist. Denn an einer Überzeugung ließ der Italo-Deutsche nicht rütteln: »Das Theater ist richtig, wenn es einen Gegensatz zum Leben bietet: Das gibt, was das Leben nicht hat.« Für Busoni hieß das: Magie. Für sein Opus magnum bedeutete es: Faust.
Keinen Geringeren als den Prototypen unstillbarer Wissensgier stellte Busoni in den Mittelpunkt seiner »Oper, die keine Oper ist«: das Genie, das sich mit irdischem Wissen nicht zufrieden geben will, den Urtypus des ewig Suchenden, der sich auf einen Pakt mit Mephistopheles einlässt und am Ende – ja, was – verdammt wird? Erlöst wird? Eine Position jenseits von Gut und Böse gewinnt? Faust diente dem Komponisten zur praktischen Umsetzung seiner neuen Opernästhetik: Selbstständig sollte die Musik sein, wundersam der Inhalt und desillusionierend die Darstellung. Ergebnis war ein so vielschichtiges wie herausforderndes Stück Musiktheater, das bis zu Busonis Tod und der Uraufführung in Dresden 1925 rätselhaftes Fragment blieb – ganz im Sinne der Intention des Dichters: »Die Bühne zeigt vom Leben die Gebärde, / Unechtheit steht auf ihrer Stirn geprägt; / auf dass sie nicht zum Spiegel-Zerrbild werde, / als Zauberspiegel wirk’ sie schön und echt; / gebt zu, dass sie das Wahre nur entwerte, / dem Unglaubhaften wird sie erst gerecht.«
Mit dem Faust-Stoff beschäftigte sich der Komponist Ferruccio Busoni bereits seit 1910. »Eine hervorragende, historische und sprichwörtliche Figur, die mit dem Zauberischen und Unenträtselten zusammenhänge«, wollte er zum Mittelpunkt seiner Opern machen. Es ging ihm um die Figur Faust, mit deren Vielschichtigkeit und Zeitlosigkeit als Prototyp des wissbegierigen Menschen sich der Komponist auseinandersetzen wollte. Ganz bewusst nahm er für seine Arbeit nicht Goethes Meisterwerk »Faust« zur Vorlage, sondern orientiert sich an Puppenspielen seit dem 17. Jahrhundert, die ihm als Inspirationsquelle dienten. Die Vollendung seiner vierten und letzten Opernkomposition erlebte Ferruccio Busoni nicht mehr, zu zwei Szenen des Librettos fand er keine entsprechende Musik und legte das Werk beiseite. Busonis Freund und ehemaliger Schüler Philipp Jarnach ergänzte nach dessen Tod 1924 die fehlenden Kompositionen und »Doktor Faust« konnte im Mai 1925 in Dresden uraufgeführt werden. Der Dirigent und Musikforscher Antony Beaumont war es, der sich 1975 noch einmal Ferruccio Busonis Oper, seine Schriften und Briefe vornahm und über die zwei unvollendeten Szenen nachdachte. Eine tiefgründige Recherche und das Auffinden verloren geglaubter Skizzen ermutigten den Musikforscher Beaumont dazu, eine neue Fassung anzufertigen, die er 1982 veröffentlichte. Diese Fassung nimmt sich auch das künstlerische Team um Regisseur Keith Warner zur Grundlage ihrer Inszenierung des »Doktor Faust« an der Semperoper Dresden.
Dichtung für Musik in zwei Vorspielen, einem Zwischenspiel und drei Hauptbildern Nach Skizzen des Komponisten ergänzt und vollendet von Antony Beaumont (1984) In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Musikalische Leitung Tomáš Netopil
Inszenierung Keith Warner
Mitarbeit Regie Anja Kühnhold
Bühnenbild Tilo Steffens
Video Manuel Kolip
Kostümbild Julia Müer
Licht John Bishop
Choreografie Karl Alfred Schreiner
Assistenz Choreographie Patrick Teschner
Chor Jörn Hinnerk Andresen
Dramaturgie Juliane Schunke
Doktor Faust Lester Lynch
Wagner Michael Eder
Mephistopheles / Ein Nachtwächter Mark Le Brocq
Herzog von Parma / Megäros Michael König
Herzogin von Parma Manuela Uhl
Zeremonienmeister / Gravis Magnus Piontek
Soldat, des Mädchens Bruder / Naturgelehrter Sebastian Wartig
Ein Leutnant / Beelzebuth Jürgen Müller
Erster Student aus Krakau Eric Stokloßa
Zweiter Student aus Krakau Bernhard Hansky
Dritter Student aus Krakau Allen Boxer
Theologe / Levis Tilmann Rönnebeck
Jurist / Asmodus Stephan Klemm
Erster Student aus Wittenberg Gerald Hupach
Zweiter Student aus Wittenberg Khanyiso Gwenxane
Dritter Student aus Wittenberg Alexandros Stavrakakis
Vierter Student aus Wittenberg / Tenorsolo Aaron Pegram
Fünfter Student aus Wittenberg Benjamin Glaubitz
Erste Frauenstimme Roxana Incontrera
Zweite Frauenstimme Angela Liebold
Dritte Frauenstimme Elisabeth Wilke
Sächsischer Staatsopernchor Dresden
Sächsische Staatskapelle Dresden