Grandios war dann der Auftritt der Ausnahmegeigerin Patricia Kopatchinskaja beim Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 in a-Moll op. 77 von Dmitrij Schostakowitsch, wo sie vom SWR Symphonieorchester unter Ingo Metzmacher einfühlsam begleitet wurde. Der erste Nocturne-Satz wurde mit seinem kammermusikalischen Charakter voll erfasst. Vor allem der breite melodische Fluss kam ausgezeichnet zur Geltung. Haupt- und Seitenthema befruchteten sich geradezu elektrisierend. Die Geige nahm dann das erste Thema des ersten Satzes aus den tiefen Streichern auf. Celesta-Traumwelten schufen eine sphärenhafte Atmosphäre. Auch das schnelle Scherzo des zweiten Satzes hinterließ einen tiefen Eindruck. Das Hauptthema der Exposition in b-Moll entfaltete sich kraftvoll. Das Thema A konnte man als Stalin-Thema bezeichnen, das Thema B erinnerte an Schostakowitschs Oper "Lady Macbeth". Dieses unheimliche Gewalt-Thema musizierte Patricia Kopatchinskaja in überwältigender Weise im Fortissimo auf der Violine. Und die Durchführung in Fugenform beeindruckte die Zuhörer ungemein. Die Passacaglia des dritten Satzes zeigte ebenfalls spieltechnischen Glanz. Das Ostinato-Motiv mit der großen Kadenz der Violine verzauberte die Zuhörer.
Dann waren drei Arien für Violine und Kammerorchester "Mysteries of the Macabre" aus der Oper "Le Grand Macabre" von György Ligeti zu hören (eingerichtet von Elgar Howarth, bearbeitet von Patricia Kopatchinskaja). Hier trat die Geigerin Patricia Kopatchinskaja mit Bart und Perücke als "Grand Macabre" auf, imitierte mit ihrer Violine suggestiv die Sopran-Koloraturarien. Nekrotzar ist hier zu betrunken, um den Untergang der Welt herbeizuführen, obwohl ein Komet einschlägt! Schlagwerk-Einsätze, Reihenstrukturen und Clusterbildungen gingen im Orchester nahtlos ineinander über, Ingo Metzmacher spornte die Musiker des SWR Symphonieorchesters zu spieltechnischen Höhenflügen an. Zitathafte Phrasen und ein betont rhythmischer, die Sprechmelodie nachahmender Gesang wurde von Patricia Kopatchinskaja mit höchster Virtuosität auf der Violine nachgezeichnet (SWR Experimentalstudio, Klangregie: Michael Acker).
Schönberg und Berg haben bei der Sinfonie Nr. 3 von Karl Amadeus Hartmann Pate gestanden, die zuletzt auf dem Programm stand. Ingo Metzmacher betonte in der Liederhalle, wie viel ihm die Musik von Hartmann bedeutet, der 1963 viel zu früh verstarb. Die im Jahre 1950 erschienene dritte Sinfonie ist in ihren drei Sätzen weit anspruchsvoller als ihre Vorgängerinnen. Der erste Satz, Largo ma non troppo, setzte zu dunklem Harfenton und Paukenwirbeln gespenstisch mit einer Phrase des Kontrabasses ein. Diese Fahlheit endete, als die Streicher ihr vielstimmiges Geflecht immer dichter mit schmerzlichem Ausdruck füllten. Vor dem verschwebenden Schluss kam es nochmals zu einem heftigen Aufbegehren. Der zweite Satz, Allegro con fuoco, imponierte hier als virtuose Fuge barsch und wild. Ingo Metzmacher heizte das spieltechnische Feuer immer weiter an, die Vielfalt der bunten klangfrohen Episoden sprühten in grellen Farben auf. Klangsinn und subtiler Ausdruckswillen traten dann im dritten Adagio-Satz in berührender Weise hervor. Pathetisches Aufbäumen und selbstquälerisches Grübeln erzählten in bewegender Weise vom Leid der Menschheit. Dieser Leidenschaftsausbruch des Adagio geriet unter Ingo Metzmachers Leitung zu einem klanglichen Höhepunkt des Abends. Das Bassposaunen-Solo des Schlusses ging unter die Haut.
"Bravo"-Rufe, Jubel.