Zunächst erklang die sehr selten gespielte Lustige Sinfonietta in d-Moll op. 4 "zum Gedächtnis an Christian Morgenstern" von Paul Hindemith. Eröffnet wurde dieses Werk mit einem volksliedhaften Thema, das von den Galgenbrüdern handelte. Das klagende Motiv im Englischhorn setzte sich durch. Dann folgte die Fuge als Durchführung beim "großen Lalulä", wo die einzelnen Themen concertino-artig hervorblitzten. Reizvolle rhythmische Figuren führten bei dieser atemlosen Interpretation zu kontrapunktischen Höhepunkten. Harmonisch facettenreich kam auch das Intermezzo mit seinen "zoologischen Merkwürdigkeiten" daher. Und im letzten Satz kam es bei den kunstvollen Variationen über das Thema "Palmström" zu zahlreichen klangfarblichen Veränderungen, die vom SWR Symphonieorchester minuziös ausgekostet wurden. Nach einem Rückgriff auf das erste Thema des Kopfsatzes endete diese "Lustige Sinfonietta" im Pianissimo, die erst im Jahre 1980 zum ersten Mal aufgeführt wurde.
Sergey Khachatryan (Violine) war dann der Solist im Violinkonzert in D-Dur von Igor Strawinsky. Die Thementypen des Barock blitzten hier in reizvoller Weise hervor. Mit akkordischen Ausrufungszeichen wurde sogleich die Toccata vom SWR Symphonieorchester unter Michael Sanderling eingeleitet, das den Solisten mit silbrigen Klängen einhüllte. Die barocken Stilvorlagen kamen in origineller Weise zur Geltung. Und das Terzenthema in den Trompeten schien das Violinspiel plötzlich ständig zu begleiten. Das Thema der Solovioline wurde von Sergey Khachatryan ausdrucksvoll gestaltet. Die erste Aria hielt sich dann konsequent an den d-moll-Akkord. Ein elastisches Bassfundament begleitete die Solovioline dabei ausgesprochen transparent. Und die Melodielinie der Violine verlor hierbei nie ihre Leuchtkraft. Das bekannte Air aus Bachs D-Dur-Suite schimmerte lyrisch hindurch. Wie ein ausgelassenes Rondo kam das Capriccio daher, dessen Thema an Bach gemahnte. In der Presto-Coda agierte der Solist ausgesprochen bravourös.
Als Zugabe spielte Khachatryan eine berührende armenische Weise.
Zum Abschluss überzeugten dann noch die Variationen über ein Thema von Mozart op. 132 von Max Reger. Der Grat zwischen Bindung und Freiheit wurde bei dieser Interpretation voll ausgelotet. Mit unerschöpflicher Erfindungskraft hat Max Reger bei diesem Werk komponiert, das im Jahre 1914 nach einem gesundheitlichen Zusammenbruch entstand. Und das A-Dur-Thema aus Mozarts berühmter A-Dur-Sonate für Klavier entwickelte sich wie von selbst. Das Steigerungsprinzip kam unter Michael Sanderlings Dirigat feinnervig zu Gehör. Die erste Variation umspielte das Thema in den Holzbläsern mit reizvollen Streicher-Arabesken, die zweite meldete sich in Gegenbewegung virtuos in der ersten Violine mit der Einbettung in das Geflecht der Holzbläser. In der dritten Variation kam die Änderung in Rhythmus und Tonart sehr deutlich zum Vorschein. Der Glanz von Hörnern und Trompeten beherrschte die vierte Variation als prunkvolles Jagdstück. Und die fünfte Variation kam als schemenhafte Nachtvision zum Vorschein. Das neu harmonisierte Thema erschien dann in der sechsten Variation um so deutlicher. Die Originalgestalt der Mozart-Melodie erschien in bewegender Weise in der siebten Variation wieder. Horn und Cello bildeten hier ein bedeutendes Gewicht zur Gegenstimme der Streicher.
Ausdrucksvoll gestaltet war bei dieser Wiedergabe auch die gedankenvolle Adagio-Phantasie über das Thema. Eine schmerzlich-träumerische Episode leitete zur großartig gestalteten Fuge über, deren erstes Thema zierlich in den ersten Violinen erklang. Die Klarinetten stimmten dann das ruhig-gehaltene zweite Thema an. Die geniale Verarbeitung der beiden Themen trat bei der klar strukturierten Interpretation mit dem SWR Symphonieorchester unter Michael Sanderling deutlich hervor. In Hörnern und Trompeten erstrahlte Mozarts Melodie dann nochmals in geradezu überwältigender Weise. Die Kunst der Fuge gipfelte über den gekoppelten beiden Fugenthemen als triumphaler Abschluss. In dynamischer und klanglicher Hinsicht ist bei diesem Orchester sogar noch eine Steigerung möglich.
Begeisterung, viel Applaus. Orchestermitglieder des SWR Symphonieorchesters luden dann noch zu einem humorvollen Streicher-Potpourri als "Ausklang" ins Foyer der Stuttgarter Liederhalle mit Schlagern aus der Filmwelt der 30er Jahre ein. Dabei waren neben Theo Mackebens "Bel Ami" auch Melodien wie "So oder so ist das Leben" und "Die Juliska aus Budapest" aus der Operette "Maske in Blau" von Fred Raymond zu hören.