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"Die Kopien" von Caryl Churchill - Stadttheater Bern

Premiere Sonntag, 30. November, 18.00 Uhr, Vidmar:2

 

Bei einer Routineuntersuchung im Krankenhaus erfährt ein junger Mann, dass er ein Klon ist und stellt seinen Vater zur Rede. Dieser windet sich, verweigert klare Antworten, doch nach und nach kommt die Wahrheit ans Licht.

Unfähig, nach dem Unfalltod der Mutter den ersten, echten Sohn zu erziehen, entglitt ihm dieses Kind.

 

Er entschied sich, es wegzugeben und mit einem Klon seines Sohnes einen neuen Versuch zu wagen. Dass das Forschungslabor 20 weitere Kopien illegal herstellte, wusste er nicht. Im Laufe des Stückes tauchen drei genetisch identische, äusserlich gleiche, aber doch zutiefst verschiedene Menschen auf. Eine alte Frage steht im Raum: Was determiniert unser Sein – Abstammung oder Erziehung?

 

Der Kunstgriff der Autorin, die dieses Jahr ihren 70. Geburtstag feiert, besteht darin, dass sie diese immer noch ungelöste Frage mit dem Doppelgängermotiv der Literatur kombiniert und beides unter den Vorzeichen unserer Zeit neu definiert. Das ergibt eine klassische, kraftvolle Vater-Sohn-Tragödie mit Science-Fiction-Elementen.

 

Die Themen des Stücks mögen der Wissenschaft entlehnt sein, aber das Ergebnis ist ganz und gar bodenständig und besteht aus zögerlichen, wortkargen Dialogen. In fünf Szenen verfolgt die Autorin die Auseinandersetzung des Vaters mit dreien seiner Söhne, die mit der Vielfalt menschlicher Reaktionen auf ihr Klon-Dasein reagieren: Mit Schock, Wut, Horror, aber auch mit Neugier.

 

Die Autorin

 

Caryl Churchill wurde 1938 in London geboren. Sie studierte Englische Literatur an der Oxford University. Dort begann auch ihre literarische Laufbahn; sie schrieb Stücke für studentische Theatergruppen. In den 60er Jahren entstanden eine Reihe von Hörspielen für die BBC, darunter „The Ants“ (1962) und „Not, Not, Not, Not Enough Oxygen“ (1971).

 

Dank klarem politischen Bewusstsein und Experimentierfreude mit Theaterformen wurde sie bald zu einer der bedeutendsten zeitgenössischen Dramatikerinnen Grossbritanniens. Caryl Churchill konzentriert sich thematisch auf Klassenprobleme und wirtschaftliche Zusammenhänge sowie deren Auswirkung auf Frauen. Ihr erstes Bühnenstück „Owners“ (1972, Besitzer) wurde im Royal Court Theatre in London uraufgeführt, wo sie 1974 als erste Frau Hausautorin wurde. 1979 gelang ihr dort mit „Cloud Nine“ (Der siebte Himmel) der Durchbruch als Dramatikerin.

 

Viele ihrer Stücke schrieb Churchill in Zusammenarbeit mit den Regisseuren und Schauspielern zweier britischer Theatergruppen, dem „Monstrous Regiment“ und „Joint Stock“. Ihre Arbeit mit dem „Monstrous Regiment“ führte etwa zu „Vinegar Tom“ (1976), einem Stück über die Hexenverbrennungen in Europa. Und zusammen mit „Joint Stock“ entstand ihr berühmtestes Stück „Cloud Nine“ über das Verhältnis zwischen dem Kolonialismus und der Unterdrückung der Geschlechter.

 

In ihrem Stück „Top Girls“ (1982) behandelt Churchill den Konflikt, in den Frauen geraten, die sich zwischen Mutterschaft und beruflichem Erfolg zu entscheiden haben. „Fen“ (1983) befasst sich mit der Arbeiterklasse im ländlichen Grossbritannien, und „Serious Money“ (1987) ist ein Versdrama, das einen satirischen Blick auf die Börse wirft.

 

Zu einem grossen internationalen Erfolg wurde das Stück „A Number“ (Die Kopien), das 2002 in der Inszenierung von Stephen Daldry mit Michael Gambon als Vater Salter und dem inzwischen weltberühmten Filmstar Daniel Craig in der Rolle der Söhne am Royal Court Theatre uraufgeführt wurde. James McDonald brachte das Stück im März 2003 an der Schaubühne Berlin mit Josef Bierbichler und Mark Waschke zur Deutschsprachigen Erstaufführung. Falk Richter inszenierte nur einen Monat später die Schweizer Erstaufführung am Schauspielhaus Zürich mit André Jung und Sebastian Rudolph. Seitdem ist das Stück an rund 25 weiteren deutschsprachigen Theatern gespielt worden.

 

Deutsch von Falk Richter

 

Inszenierung Gabriel Diaz

Bühne, Kostüme Romy Springsguth

 

Salter (ein Mann Anfang sechzig) Ernst C. Sigrist

Bernard 1 (sein Sohn, vierzig) Sebastian Edtbauer

Bernard 2 (sein Sohn, fünfunddreissig) Sebastian Edtbauer

Michael Black (sein Sohn, fünfunddreissig) Sebastian Edtbauer

 

 

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