Als Shakespeares Stück 1611 erstmals gezeigt wurde, bezog sich der Dichter auch auf Nachrichten über ein britisches Schiff, das 1609 auf dem Weg zur Amerika-Kolonie »Virginia« in einen Sturm geraten und auf den Bermuda-Inseln gestrandet war. Die Berichte der Seefahrer sowie Montaignes Essay »Von den Kannibalen« vermengten die Beobachtungen aus der Neuen Welt mit Schreckensvisionen und lustvollen Fantasien. Hinter der exotischen Fassade hat Shakespeare die internen Machtkämpfe seiner Zeit sowie die Frühformen des Kolonialismus aufgespürt und in der Konfrontation mit der „Neuen“ die Ohnmacht und den Abschied einer „Alten“ Welt aufgezeigt.
Aus den Motiven und Handlungen von Shakespeares Figuren entwickelt die polnische Regisseurin Maja Kleczewska eine moderne, groteske Endzeitvision. Prosperos Inszenierung seines Abschieds von der Macht wird zu einem schrillen Panorama abgründigen menschlichen Verhaltens: Herr und Diener bilden eine bedrückende, selbstzerstörerische Symbiose, Väter verstricken sich in Machtspielen gegen die Kinder, Sextouristen suchen Erfüllung im vermeintlichen Inselparadies. Die Inszenierung spürt den psychischen Zwängen der Figuren nach und zeigt ihre Sehnsucht, diesem Labyrinth zu entgehen.
Die Regisseurin gehört zu den herausragenden Theatermachern des polnischen Gegenwartstheaters. Sie hatte zunächst Psychologie an der Universität Warschau studiert, bevor sie an die Staatliche Theaterhochschule nach Krakau ging, um dort ein Regiestudium aufzunehmen. Kritiker rühmen vor allem ihre klare, kompromisslose Bühnensprache, die verstört und beunruhigt durch die Tiefenschärfe, mit der sie die Figuren in ihren Inszenierungen ausleuchtet. Für ihre letzte Produktion von Elfriede Jelineks »Winterreise« am Theater in Bydgoszcz erhielt sie mehrere Preise.
Spielfassung: Maja Kleczewska, Lukasz Chotkowski
Es spielen: Lisa Bitter (Miranda), Michal Czachor (Caliban), Yorck Dippe (Antonio), Sachiko Hara (Ariel), Pablo Konrad y Ruopp (Ferdinand), Anja Laïs (Stephano), Josef Ostendorf (Prospero), Michael Weber (Alonso), Kathrin Wehlisch (Trinculo)
Regie: Maja Kleczewska
Bühne: Marcin Chlanda
Kostüme: Konrad Parol
Licht und Video: Wojciech Puś
Musik: Daniel Pigoński
Dramaturgie: Lukasz Chotkowski, Jörg Bochow
Weitere Aufführung: 26/1/2014