Endlich ist der Frühling gekommen, die Sonne scheint, es wird wärmer und beginnt zu blühen, die Tierwelt ist in Paarungslaune. Ganz passend zur Jahreszeit kam jetzt "Out of context" von Alain Platel im Tanzhaus NRW zur Aufführung. Das Stück beginnt ganz gemächlich, die sechs Tänzer und drei Tänzerinnen gehen einzeln aus dem Zuschauerraum auf die Bühne, entkleiden sich bis auf die Unterwäsche, legen ihre abgelegte Kleidung ordentlich gefaltet zu Boden und umhüllen sich mit einer roten Decke. Vom Band setzt das Brunstschreien von Tieren ein. Die Tänzer rucken wiederholt mit den Köpfen, gehen gespreizt über die Bühne, nähern sich aneinander an, entfernen sich. Virtuos ahmen sie tänzerisch die Balzrituale von Tieren, vorwiegend Wasservögeln, nach. Es wird gebrunftet, gequakt, geröhrt, was das Zeug hält, nichts ausgelassen, was die Aufmerksamkeit erregen könnte. Kaori Ito verrenkt sich akrobatisch wie eine indische Tempeltänzerin, solange bis es endlich zur Paarung kommt.
Dass das menschliche Werbungsverhalten dem tierischen in nichts nachsteht und ganz ähnliche ritualisierte Formen wie im Tierreich angenommen hat, wird erst so richtig durch dieses Tanzstück deutlich. Eine bestimmte leicht unsichere, und doch von Imponiergehabe nicht freie Gangart, ein schlängelndes sich Annähern an das Objekt der Begierde, die Hand lässig an die Hüfte gelegt, sofort erscheinen vor dem inneren Auge Szenen vom Flirtverhalten in der Disco. Das steigert sich exzessiv bei den Tänzern der Compagnie de la B. Jeweils eine Liedzeile genügt, um Gefühle zu verdeutlichen und zeigt einmal mehr, wieweit bestimmte Popsongs zum allgemeinen Liedgut geworden sind, wird doch zugleich der gesamte Kontext mit bedeutet, hier eben die verzweifelte Suche nach einem paarungswilligen Partner. Und so werden die Songs bei Platel zum menschlichen Brunstschrei. Die Tänzer, durch die ungeheure Begierde völlig verausgabt, verdrehen wie Irre die Augen, zucken mit den Gliedern, Gefühle pur.
Wenn sich Romeu Runa an das Publikum wendet und darum bittet die rechte Hand zu heben, um gleich anschließend zu fragen, ob jemand mit ihm tanzen möchte, gehen sofort alle Hände wieder runter. Es bleiben Sekunden von Stille, Traurigkeit setzt ein. Während "Nothing compares to you" erklingt, das Lied vom Verlust einer Liebe, kleiden sich die Tänzer allmählich wieder an und gehen von der Bühne. Und so endet das Stück etwas melancholisch.
Verdienter enthusiastischer Applaus für eine tänzerisch und choreographisch ungemein überzeugende, zugleich humorvolle und melancholische, inspirierende Darbietung. Überaus sehenswert!
Kreation und Tanz: Elie Tass, Emile Josse, Hyo Seung Ye, Kaori Ito, Mathieu Desseigne Ravel, Mélanie Lomoff, Romeu Runa, Rosalba Torres Guerrero, Ross McCormack,
Konzept und Regie: Alain Platel
Kostümdesign: Dorine Demuynck
Lichtdesign: Carlo Bourguignon
Sounddesign: Sam Serruys
Dauer: 80 Min. ohne Pause
Vorstellungen 23. und 24. April 2010