MACHT GESCHICHTE! „Ein edles Verlangen muss in uns entglühen, zu dem reichen Vermächtnis von Wahrheit, Sittlichkeit und Freiheit, das wir von der Vorwelt überkamen und reich vermehrt an die Folgewelt wieder abgeben müssen, auch aus unsern Mitteln einen Beitrag zu legen und an dieser unvergänglichen Kette, die durch alle Menschengeschlechter sich windet, unser fliehendes Dasein zu befestigen“, schreibt Schiller 1789 in seiner Antrittsvorlesung am Lehrstuhl der Universalgeschichte in Jena. Kurz darauf bricht die Französische Revolution aus; Männer und Frauen leisten ihren blutigen „Beitrag“ auf den Barrikaden von Paris und schreiben Geschichte. Da unterrichtet der Autor der „Räuber“ und des „Don Carlos“ bereits als angesehener Professor.
Der „Historiker der Freiheit“, wie Golo Mann Friedrich Schiller nannte, ist heute fast vergessen. Dabei war der Dramatiker Schiller immer auch Historiker, ein erfolgreicher noch dazu. Mit seiner „Geschichte des Abfalls der Niederlande“ gelang ihm ein Publikumserfolg; eine literarisch anspruchsvolle Geschichtsschreibung, wie es sie in deutscher Sprache bis dahin nicht gab. Schiller sah die gesamte Menschheit durch die Kette der historischen Ereignisse miteinander verbunden. Der Drang nach Freiheit war ihm Versprechen und Motor der Geschichte: vom spätmittelalterlichen Frankreich der „Heiligen Johanna“, über das Elisabethanische England der „Maria Stuart“ bis zur „Geschichte des Deyßigjährigen Kriegs“. Schillers historischer wie dramatischer Kosmos spiegelt die großen europäischen Konflikte und entwickelt daraus die Koordinaten eines demokratischen Europas unabhängiger Staaten und freier Bürger.
Immer wieder behandelte Schiller das Verhältnis des Einzelnen zur Geschichte, die Freiheit des Subjekts und die Verantwortung gegenüber dem historischen Augenblick. Schiller erforschte Umbruchssituationen, historische Schwellen, an denen das handelnde Subjekt steht und taumelnd in einen Abgrund blickt. „Freiheit“ schreibt der niederländische Literaturwissenschaftler Eelco Runia, „ist für Schiller durch und durch paradox. Für Schiller bedeutet Freiheit nicht nur die Möglichkeit, sondern die Pflicht, bisher ungehörte, furchtbare Dinge zu tun, Dinge, die durch nichts bestimmt sind, was zuvor kam.“ Im Moment des Handelns können wir nicht wissen, was sich erst im Rückblick erschließt. Geschichte wird blind gemacht. Deswegen sind Schillers Heldenfiguren historische Verbrecher, die an ihren Taten schuldig werden und selbst ins Verderben stürzen: Wie Karl Moor, der die familiären Hierarchien angreift und zum desillusionierten Terroristen wird, wie der Marquis von Posa, der seinen Freund Don Carlos für die revolutionären Ziele missbraucht, oder wie Fiesco, der so lange zögert, sich an die Spitze einer neuen Gesellschaft zu stellen, bis diese über ihn hinweg geht. Wie kann der Einzelne seinen Beitrag leisten, wie geschichtsmächtig handeln, wenn Geschichte doch immer erst im Rückblick ihre Ziele offenbart? „Taten wie diese, überlegt man, wenn sie getan sind,“ lässt Schiller Karl Moor am Ende der „Räuber“ sagen. Das Dilemma aus Wissen und Handeln prägt die Figuren der Schillerschen Dramen ebenso wie seine geschichtsphilosophischen Thesen.
Auch wenn der Mensch nicht Herr der Geschichte ist, kommt es für Schiller darauf an, so zu handeln als ob Freiheit möglich wäre - nicht nur individuell, sondern als geschichtliche Bestimmung des Menschengeschlechts. „Das ist eine Zuversicht, die weiß, dass sie sich nicht auf einen vermeintlich objektiven Gang der Geschichte stützen kann, sondern dass sie ihr belebendes Moment in die Geschichte einbringen muss, um sich wahr zu machen." schreibt Rüdiger Safranski. Das Vorstellungsvermögen ist die Fähigkeit, die tatsächliches Handeln ermöglicht. Posas berühmte Forderung nach „Gedankenfreiheit“ im Don Carlos wird so zur Bedingung politischen Handelns überhaupt, eben dafür, das eigene „fliehende Dasein“ an der unvergänglichen Kette der Geschichte zu befestigen.
Schillers Geschichtsverständnis bewegt sich im Spannungsfeld von rückwirkend Sinn stiftender Geschichtsschreibung als wesentlichem Instrument gesellschaftlicher Erkenntnis und geschichtsblindem Tätertum – Theater und Geschichte, Flüchtigkeit und Bewahrung, Handeln und Erkennen. Damit stellt sich mit Schiller für die Gegenwart nicht nur die Frage nach den Erkenntnissen und Hinterlassenschaften, die es in die globalisierte Welt hinüberzuretten gilt, sondern auch nach den Handlungsspielräumen und der Handlungsfähigkeit der Subjekte. Gerade angesichts globaler Vernetzung und weltweiter Klimaveränderung gewinnt Schillers universalistischer Geschichtsbegriff wieder an Relevanz und fordert uns als kritische und handelnde Zeitgenossen.
Die 16. Internationalen Schillertage gehen mit Künstlerinnen und Künstlern aus Europa und der Welt auf die Suche nach der eigenen Geschichte, den großen historischen Linien und den individuellen wie gemeinschaftlichen Handlungsspielräumen. Wie in den letzten Jahren lädt das Festival zu Gastspielen aus dem In- und Ausland, Eigen- und Koproduktionen sowie Seminaren und Vorträgen ein und lässt die Abende mit langen Konzertnächten und Parties ausklingen. Neun Sommertage und -Nächte lang bespielen die Internationalen Schillertage die Bühnen des Nationaltheaters und ihrer Partnerinstitutionen sowie den gesamten Stadtraum Mannheims mit speziell für das Festival in Auftrag gegebenen Inszenierungen, Installationen, Konzerten und Aktionen.
Programm
DONNERSTAG 2.6.
Wo warst du als
Videoinstallation - Ein Projekt vom Studiengang Licht und Gestaltung an der Hochschule Mannheim
Schillertage ab Sonnenuntergang
18 Uhr Eröffnung der 16. Internationalen Schillertage
Unteres Foyer
19 Uhr
Don Karlos
Nationaltheater Mannheim
Schauspielhaus (Premiere)
Der Staat selbst ist niemals Zweck, er ist nur wichtig als eine Bedingung, unter welcher der Zweck der Menschheit erfüllt werden kann, und dieser Zweck der Menschheit ist kein anderer als Ausbildung aller Kräfte des Menschen, Fortschreitung. (Friedrich Schiller)
Der Kronprinz Karlos liebt die Königin Elisabeth, seine Stiefmutter, und bewundert seinen Jugendfreund Marquis Posa für seine republikanischen Ideale. Sie wollen den Freiheitskampf der Niederländer gegen die spanische Vorherrschaft unterstützen und kämpfen gegen die Machtspiele von Herzog Alba und der Kirche. Im Kampf um Liebe und Freiheit verirren sie sich hoffnungslos im Dschungel ihrer Intrigen und Gefühle. Am Ende ist selbst König Philipp ein Gefangener seiner Macht und seines Staatsapparats.
Inszenierung: Georg Schmiedleitner - Bühne und Kostüme: Florian Parbs - Musik: Philipp Stangl - Video: Philipp Contag-Lada - Dramaturgie: Ingoh Brux
Don Karlos: Martin Aselmann - Philipp: Thomas Meinhardt - Elisabeth: Sabine Fürst - Eboli: Ines Schiller - Marquis Posa: Sascha Tuxhorn - Domingo: Thorsten Danner - Alba: Michael Fuchs - Lerma: Jacques Malan
20 Uhr
Ohne Anweisung. Ein Sprechstück mit Zuschauern (UA)
Julia Krause / Jens Heitjohann
TiG 7 (Premiere)
Seit 2010 sammelt das Nationaltheater Eindrücke und Erinnerungen seiner Besucher und hält diese auf Tonband fest. Diese Recherche führen Julia Krause und Jens Heitjohann fort und fragen Besucher und Bürger sowie Mitarbeiter und Wegbegleiter des Mannheimer Nationaltheaters nach ihren Erinnerungen an und mit Friedrich Schiller. Das so gewonnene Material dient als Ausgangspunkt für eine szenische Befragung des Theaters, seiner Produzenten und Besucher, seiner zeitgenössischen Idee, seinem utopischen Moment.
Eine Auftragsproduktion der 16. Internationalen Schillertage in Kooperation mit TiG 7
22.30 Uhr
Schill-Out
Palkomuski und DJ Polymux
Unteres Foyer / Theatercafé
FREITAG 3.6.
Wo warst du als
Videoinstallation - Ein Projekt vom Studiengang Licht und Gestaltung an der Hochschule Mannheim
Schillertage ab Sonnenuntergang
17 Uhr
Achtung Helden!
Auf ewig Johanna — Welche Rolle hat die Heldin?
Kunsthalle Mannheim
18 Uhr
The House of Our Fathers
Jan Lauwers & Needcompany (Belgien)
Kunsthalle Mannheim (Premiere)
19.30 Uhr
Kabale und Liebe
Düsseldorfer Schauspielhaus
20 Uhr
Ohne Anweisung. Ein Sprechstück mit Zuschauern (UA)
Julia Krause / Jens Heitjohann
TiG 7
anschließend Publikumsgespräch
20 Uhr
Der Geisterseher
Maxim Gorki Theater Berlin
Studio
22.30 Uhr
Schill-Out
DEINE JUGEND, Bakkushan und Djs Käytsch&Nyce
Unteres Foyer / Theatercafé
SAMSTAG 4.6.
Wo warst du als
Videoinstallation - Ein Projekt vom Studiengang Licht und Gestaltung an der Hochschule Mannheim
Schillertage ab Sonnenuntergang
11 Uhr
The House of Our Fathers
Jan Lauwers & Needcompany (Belgien)
Kunsthalle Mannheim
17 Uhr Publikumsgespräch
16 Uhr
X Wohnungen
3 Touren durch private Räume in der Neckarstadt-West, der Schwetzingerstadt/Oststadt und auf der Schönau
Schillertage (Premiere)
Start 16 — 20 Uhr, alle 10 Minuten, Dauer ca. 2,5 Std. / Startpunkte werden bekannt gegeben
18 Uhr
Achtung Helden!
Reine Männlichkeit? — Der klassische Held
Lobby Werkhaus
19.30 Uhr
Maria Stuart
Schauspiel Frankfurt
Schauspielhaus
anschl. Publikumsgespräch
20 Uhr
Der Geisterseher
Maxim Gorki Theater Berlin
Studio
22.30 Uhr
Schill-Out
Stankowski und Karrera Klub Berlin
Unteres Foyer / Theatercafé
SONNTAG 5.6.
Wo warst du als
Videoinstallation - Ein Projekt vom Studiengang Licht und Gestaltung an der Hochschule Mannheim
Schillertage ab Sonnenuntergang
11 Uhr
The House of Our Fathers
Jan Lauwers & Needcompany (Belgien)
Kunsthalle Mannheim
16 Uhr
X Wohnungen
3 Touren durch private Räume in der Neckarstadt-West, der Schwetzingerstadt/Oststadt und auf der Schönau
Schillertage
Start 16 — 20 Uhr, alle 10 Minuten, Dauer ca. 2,5 Std. / Startpunkte werden bekannt gegeben
18 Uhr
Achtung Helden!
Lauter Sieger — Wem nützen die Helden Der Geschichte?
Lobby Werkhaus
19 Uhr
Rumoren (UA)
Creative Factory Jungbusch
Gemeinschaftszentrum Jungbusch (Premiere)
Eintritt frei!
19 Uhr
Don Carlos
Staatsschauspiel Dresden
Opernhaus
anschließend Publikumsgespräch
22.30 Uhr
Schill-Out
Féloche
Unteres Foyer / Theatercafé
Eintritt frei!
MONTAG 6.6.
Wo warst du als
Videoinstallation - Ein Projekt vom Studiengang Licht und Gestaltung an der Hochschule Mannheim
Schillertage ab Sonnenuntergang
16 Uhr
X Wohnungen
3 Touren durch private Räume in der Neckarstadt-West, der Schwetzingerstadt/Oststadt und auf der Schönau
Schillertage
Start 16 — 20 Uhr, alle 10 Minuten, Dauer ca. 2,5 Std. / Startpunkte werden bekannt gegeben
19.30 Uhr
Don Karlos
Nationaltheater Mannheim
Schauspielhaus
anschließend Publikumsgespräch
20 Uhr
Schiller Hirsch
Kurzfilmprogramm
Alte Feuerwache
20 Uhr
Verrücktes Blut
Ballhaus Naunynstraße Berlin
Probenzentrum Neckarau
22.30 Uhr
Schill-Out
Schill-Out Special: Dead or alive? - Poetry Slam
Unteres Foyer / Theatercafé
DIENSTAG 7.6.
Wo warst du als
Videoinstallation - Ein Projekt vom Studiengang Licht und Gestaltung an der Hochschule Mannheim
Schillertage ab Sonnenuntergang
11 Uhr
Verrücktes Blut
Ballhaus Naunynstraße Berlin
Probenzentrum Neckarau
16 Uhr
X Wohnungen
3 Touren durch private Räume in der Neckarstadt-West, der Schwetzingerstadt/Oststadt und auf der Schönau
Schillertage
Start 16 — 20 Uhr, alle 10 Minuten, Dauer ca. 2,5 Std. / Startpunkte werden bekannt gegeben
18 Uhr
Achtung Helden!
Casting-Heroen — Wer sind die Helden Der Massenkultur?
Lobby Werkhaus
20 Uhr
Utopie Station - Erziehung zur Freiheit
Ernst-Bloch Zentrum Ludwigshafen
20 Uhr
Verrücktes Blut
Ballhaus Naunynstraße Berlin
Probenzentrum Neckarau
20 Uhr
The Field, The Mantel (UA)
Cupola Bobber (USA)
Studio (Premiere)
22.30 Uhr
Schill-Out
Jonathan Kluth
Unteres Foyer / Theatercafé
Eintritt frei!
MITTWOCH 8.6.
Wo warst du als
Videoinstallation - Ein Projekt vom Studiengang Licht und Gestaltung an der Hochschule Mannheim
Schillertage ab Sonnenuntergang
19.30 Uhr
Schiller Thriller (UA)
Massimo Furlan & Claire de Ribaupierre - Numero23Prod. (Schweiz)
Schauspielhaus (Premiere)
20 Uhr
Ohne Anweisung. Ein Sprechstück mit Zuschauern (UA)
Julia Krause / Jens Heitjohann
TiG 7
21.30 Uhr
The Field, The Mantel (UA)
Cupola Bobber (USA)
Studio
anschließend Publikumsgespräch
22.30 Uhr
Schill-Out
Young Rebel Set und DJ Spy
Unteres Foyer / Theatercafé
DONNERSTAG 9.6.
Wo warst du als
Videoinstallation - Ein Projekt vom Studiengang Licht und Gestaltung an der Hochschule Mannheim
Schillertage ab Sonnenuntergang
18 Uhr
Achtung Helden!
Lieber nicht — Wofür kämpft Der Anti-Held?
Lobby Werkhaus
19.30 Uhr
Schiller Thriller (UA)
Massimo Furlan & Claire de Ribaupierre - Numero23Prod. (Schweiz)
Schauspielhaus
20 Uhr
Rainha[(s)] - duas atrizes em busca de um coração (DSE)
Isabel Teixeira / Henrique Mariano (Brasilien)
Alte Feuerwache
21.30 Uhr
The Field, The Mantel (UA)
Cupola Bobber (USA)
Studio
22.30 Uhr
Schill-Out & BRANDHERD präsentieren
The Pussywarmers und DJ Mischa K
Unteres Foyer / Theatercafé
Eintritt frei!
FREITAG 10.6.
Wo warst du als
Videoinstallation - Ein Projekt vom Studiengang Licht und Gestaltung an der Hochschule Mannheim
Schillertage ab Sonnenuntergang
11 Uhr
The House of Our Fathers
Jan Lauwers & Needcompany (Belgien)
Kunsthalle Mannheim
14 Uhr
Schillers Radshop
Eine Leih- und Verkaufsaktion
Goetheplatz
18.30 Uhr
Rumoren (UA)
Creative Factory Jungbusch
Gemeinschaftszentrum Jungbusch
anschl. Publikumsgespräch
20 Uhr
Rainha[(s)] - duas atrizes em busca de um coração (DSE)
Isabel Teixeira / Henrique Mariano (Brasilien)
Alte Feuerwache
20 Uhr
Die Räuber
Theater Basel
Schauspielhaus
22 Uhr
Schiller-Balladen-Projekt
Philipp Hochmair / Fritz Rainer
Studio
22.30 Uhr
Schill-Out & Disko Esperanto präsentieren Antwerp Gipsy Ska Orkestra
Unteres Foyer / Theatercafé
Alle Infos: www.schillertage.de