Die im Tanz unverzichtbare Quelle der Vision steht dabei im Mittelpunkt und erschafft die Grundlage, sich selbst zu verführen und entführen zu lassen. Die Bühne im Theater vermag, inspiriert von der Gegenwart, in andere Welten zu versetzen, ähnlich wie der nächtliche Blick auf den weißen Mond einlädt zu eigenen Gedanken und Träumen.
Musikalisches Opfer (Uraufführung)
Musik: Johann Sebastian Bach u.a.
Choreografie, Bühnenbild und Kostüme: Stephan Thoss
Mit der Uraufführung ‚Musikalisches Opfer’ zu J. S. Bachs gleichnamiger Komposition wird der Abend eröffnet. Das Werk entstand 1747 aus seiner Begegnung mit dem preußischen König Friedrich II. Bach bat ihn um ein Fugenthema, das er sogleich mehrstimmig ausführte. Lediglich der Bitte, eine sechsstimmige Fuge auf die vorgegebene Melodie zu improvisieren, konnte Bach nicht unmittelbar nachkommen. Wenige Monate später widmete er dem König die nun fertig gestellten Fugen mit der Überschrift ‚Ricercar’ (Suche). Das Zusammentreffen der zwei so unterschiedlichen Charaktere und die Klarheit und Transparenz dieser Musik entfalten einen offenen Raum, der eine Freiheit bietet, die gleichzeitig an Zerbrechlichkeit und Begrenzung ermahnt.
Visions fugitives
Musik: Sergej Prokofjew
Choreografie: Stephan Thoss
Bühne: Arne Walther
Kostüme: Katharina Meintke
Den zweiten Teil bilden die ‚Visions fugitives’ zu der eigenwillig verspielten Komposition von Prokofjew, die er inspiriert von K. Balmonts Gedicht ‚Ich kenne nicht die Weisheit’ 1917 ursprünglich für Klavier schrieb. Im Russischen werden sie ‚Mimoletnosti’ genannt, was so viel bedeutet wie ‚Dinge, die vorüberfliegen’. Prokofjew hat in den kurzen, aber hochgradig ausdrucksstarken Miniaturen verschiedenste Stimmungen eingefangen.
No Cha-Cha-Cha
Musik: Arvo Pärt, Laurent Petitgant, u.a.
Choreografie: Stephan Thoss
Bühne: Arne Walther
Kostüme: Katharina Meintke
‚No Cha-Cha-Cha’, der dritte Teil des Abends, steht ganz im Zeichen der Kraft, die der Tanz aus der Musik schöpfen kann. Mit Tango, Cha-Cha-Cha, Folklore und den tragenden Klängen von Pärts Trisagion entsteht ein vom Rhythmus ausgehender Sog, der wie weit ausgebreitete Arme den gesamten Bühnenraum erfasst und den Tänzern keine Wahl lässt als die unmittelbare Hingabe.
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Mit einer Uraufführung startet der neue Ballettdirektor Stephan Thoss in
seine erste Spielzeit am Hessischen Staatstheater Wiesbaden: „Musikalisches
Opfer“ zu Johann Sebastian Bachs gleichnamiger Komposition steht zu Beginn
des dreiteiligen Ballettabends. Hierfür ließ sich Thoss von der Klarheit und
der Transparenz jener Musik inspirieren, die sich dem legendären
Zusammentreffen des preußischen Königs Friedrich II. mit dem Komponisten
verdankt. An der von gegenseitiger Hochachtung geprägten Annäherung der
beiden Persönlichkeiten interessieren Thoss vor allem die Momente der
Zerbrechlichkeit und Begrenzung: hier der zwischen Pflicht und Neigung hin
und her gerissene König, dort „der alte Bach“, der seine Lebenskraft immer
schneller schwinden spürte.
Der neue Ballettdirektor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden wurde 1965
in Leipzig geboren. Er absolvierte seine tänzerische Ausbildung an der
Palucca Schule Dresden. Dort prägte ihn besonders die Zusammenarbeit mit
Patricio Bunster, Solist bei Kurt Jooss und später Leiter des
Nationalballetts in Chile. In einem dreijährigen Zusatzstudium vermittelte
er Stephan Thoss die Lehre des Deutschen Ausdruckstanzes, basierend auf den Theorien Rudolf von Labans. 1983 wurde Thoss als Tänzer an das Ballett der Staatsoper Dresden engagiert. Nach Stationen an der Komischen Oper Berlin und am Staatstheater Kassel kehrte er als Solotänzer an die Staatsoper Dresden zurück, wo er in den folgenden Jahren verstärkt auch als Choreograph arbeitete. Als Gast choreografierte Stephan Thoss 1994 auf Einladung von Marcia Haydée für das Stuttgarter Ballett Igor Strawinskys Les Noces. Es folgten weitere Uraufführungen für das Stuttgarter Ballett, das Bayerische Staatsballett
München, auf Einladung von John Neumeier für das Hamburg Ballett und für das Balletto di Toscana in Florenz und im Frühjahr 2006 für das Nederlands Dans Theater II in Den Haag.
Von 1998 bis 2001 übernahm Thoss mit der Leitung des Balletts der Bühnen der Landeshauptstadt Kiel seine erste Ballettdirektion. Von 2001 bis 2006 war Stephan Thoss Ballettdirektor der Staatsoper Hannover / Niedersächsische Staatstheater Hannover GmbH. In diesen fünf Spielzeiten entstanden knapp 20 neue Choreografien, u.a. eine Trilogie zu russischen Komponisten: 2001 „Nach Moskau“ zu Kompositionen von Dmitri Schostakowitsch, 2003 „Incantations“ zu Musik von Igor Strawinski, Alexandre Rabinovitch und
Alexander Raskatov und 2004 „Zwischen Mitternacht und Morgen: Schwanensee“ zu Musik von Peter I. Tschaikowski. Diese Schwanensee-Fassung wurde später auch mit dem Aalto Ballett Theater Essen einstudiert. Den Abschluss seiner Hannoveraner Zeit bildete „Le Sacre du Printemps“ im Mai 2006. In der Spielzeit 2006/07 war Stephan Thoss freischaffend tätig, u.a. erarbeitete er im Oktober 2006 die Uraufführung „solitaire“ zur Musik von Béla Bartòk mit dem Aalto Ballett Theater Essen und im Februar 2007 die Produktion „Das Mädchen mit den Email-Augen“ für das Choreographische Theater Hans Kresnik in Bonn.
Zahlreiche Tourneen führten ihn und seine jeweilige Kompanie an verschiedene
Gastspielorte in Deutschland, Schweiz, Österreich, Italien, Frankreich, Kroatien, Finnland, Indonesien, Taiwan, Brasilien, Thailand und USA. 1990 gewann Thoss mit seiner Choreografie „D-x“ den 2. Hauptpreis beim Internationalen Wettbewerb für Choreographen Hannover. 1993 erhielt er den Mary Wigman Preis der Stiftung zur Förderung der Semperoper für besondere choreographische Leistungen, ein Jahr später folgte die Medaglia Laurenziana
in Florenz und 1997 der Kunstpreis der Stadt Dresden. Für seine erste
abendfüllende Kieler Produktion „Schlaraffenland ist abgebrannt“ wurde er
mit dem Bayerischen Theaterpreis 1999 ausgezeichnet.
Seine Choreografien „My way“ zu Musik von Frank Sinatra und „Teufel-Engel“
(Steve Reich) wurden vom ZDF aufgezeichnet und ausgestrahlt. 2004 zeichnete
ARTE seine Schwanensee-Version auf, die seitdem mehrfach gesendet wurde.