Die Tänzer in dunklen Kostümen, die Bühne dunkel und leer, der Boden dunkelblau ausgeleuchtet, das ist der Hintergrund auf dem sich der "Lebensweg einer Frau" in Schläpfers Choreographie zum dritten Klavierkonzert von Alfred Schnittke entfaltet. Und dieser Lebensweg hat Höhen und Tiefen. Eine Frau erinnert sich an Begegnungen und Trennungen. Abhängigkeit, Freiheit, Liebe sind Themen dieser Geschichte, einer Geschichte, in der sich der Zuschauer wiederfinden mag. Das mögen vielleicht Allerwelts¬themen sein, aber wie Schläpfer diese Geschichte von Wünschen, Sehnsüchten und Träumen, changierend zwischen Zärtlichkeit und Aggression, erzählt, ist tänzerisch einfach grandios umgesetzt!
Einen kurzen Moment fühlt man sich an das Fernsehballett in Nam June Paiks "TV-Garden" erinnert, wenn das zweite Stück des Abends, ebenfalls eine Choreographie von Martin Schläpfer zur Musik von Helmut Lachenmann, beginnt. Das liegt zum einen an dem Fernsehtestbild, das im Hintergrund auf die Bühnenwand projiziert wird, aber bald in flackerndes Schneerauschen übergeht, zum andern an den Kostümen in kräftigen monochromen Farben, die auch häufig im Komplementärkontrast zu der nun farbig wechselnden Wand stehen und nicht zuletzt an dem oftmals beschwingten Ton der Tanzkomposition selbst. Aber so profan wie die Fernsehshoweinlagen ist Schläpfers Choreographie natürlich nicht; auch feiert sie nicht das Medium Fernsehen noch kritisiert sie es. Es ist eher eine Belustigung über die Rituale und Posen die dort immer wieder eingenommen werden. Von der hochkomplexen Musik der "Tanzsuite" ausgehend, findet Schläpfer beeindruckende Bilder in einer ausdrucksstarken Tanzsprache, die zwar auf den Bewegungsformen des klassischen Balletts basiert, aber auch modernes Bewegungs¬vokabular angemessen zu integrieren weiß. Ein Stück voll heiterer Anklänge an vergangene Kindertage.
Geradezu im Kontrast zur "Tanzsuite" steht das dritte Stück des Abends, die "Symphony of Psalms", eine Choreographie von Ji?í Kylián zur Musik von Igor Strawinsky. Auf der dunklen Bühne ein paar Gebetsstühle, ein riesiger Wandbehang aus übereinander lappenden, rotfarbigen Orientteppichen, das genügt um sich in die Kühle eines Kirchenraumes versetzt zu fühlen. Die Tänzer in dunklen Kostümen, keine Auf- oder Abgänge. Temporeich und streng formal ist der Aufbau des Stückes, der einen alttestamentlichen Psalm zur Grundlage hat. Spiritualität, Religion und das Erlebnis der religiösen Gemeinschaft sind die Themen dieses Stückes, das von berückender Ästhetik ist.
Die Ballettkompanie der Düsseldorfer Oper am Rhein wurde in diesen drei doch sehr unterschiedlichen Stücken vom Publikum enthusiastisch gefeiert. Ein grandioser Abend!
DRITTES KLAVIERKONZERT
Musik: Konzert für Klavier und Streichorchester von Alfred Schnittke
Choreographie: Martin Schläpfer
Musikalische Leitung: Wen-Pin Chien
Bühne und Kostüme: Thomas Ziegler
Licht: Franz-Xaver Schaffer
Klavier: Denys Proshayev
Tänzerinnen: Ann-Kathrin Adam, Feline van Dijken, Yuko Kato, Louisa Rachedi, Anna Tsybina, Irene Vaqueiro,
Tänzer: Sonny Locsin, Marcos Menha, Bruno Narnhammer, Martin Schirbel, Alexandre Simões, Remus Sucheana, Pontus Sundset, Maksat Sydykov
Orchester: Düsseldorfer Symphoniker
TANZSUITE
Musik: „Tanzsuite mit Deutschlandlied“ von Helmut Lachenmann
Choreographie: Martin Schläpfer
Bühne und Kostüme: Keso Dekker
Video: Christoph Schödel, Keso Dekker
Licht: Franz-Xaver Schaffer
Tänzerinnen: Marlúcia do Amaral, Camille Andriot, Wun Sze Chan, Christine Jaroszewski, Yuko Kato, Anne Marchand, Louisa Rachedi, Julie Thirault, Anna Tsybina
Tänzer: Christian Bloßfeld, Paul Calderone, Jackson Carroll, Helge Freiberg, Marquet K. Lee, Bogdan Nicula, Chidozie Nzerem, Remus Sucheana, Pontus Sundset, Jörg Weinöhl
SYMPHONY OF PSALMS
Musik: „Psalmensinfonie“ für Chor und Orchester von Igor Strawinsky
Choreographie: Ji?í Kylián
Musikalische Leitung: Wen-Pin Chien
Bühne:William Katz
Kostüme: Joop Stokvis
Licht nach Joop Caboor: Kees Tjebbes
Gesamtleitung Kylián Productions: Kees Tjebbes
Einstudierung: Brigitte Martin
Chorleitung: Gerhard Michalski
Tänzerinnen: Marlúcia do Amaral, Doris Becker, Mariana Dias, Feline van Dijken, Christine Jaroszewski, Nicole Morel, Virginia Segarra Vidal, Julie Thirault
Tänzer: Paul Calderone, Martin Chaix, Florent Cheymol, Helge Freiberg, Sonny Locsin, Bogdan Nicula, Alexandre Simões, Remus Sucheana
Chor: Chor der Deutschen Oper am Rhein
Orchester: Düsseldorfer Symphoniker
Spielzeit 2011/2012