Diese wird seit 2004 durch das Theater NO99 bereichert, das mit seinen explizit politischen Produktionen nicht nur in Estland, sondern auch auf internationalen Festivals für Furore sorgt. Das Ensemble gastierte mit großem Erfolg bei den Wiener Festwochen 2008 und 2010. Das jüngste und kleinste der estnischen Staatstheater zeigt am Hundsturm seine Version von Harriet Beecher-Stowes „Negergeschichte“ Onu Tomi onnike/Onkel Toms Hütte (in estnischer Sprache mit deutschen Übertiteln) aus dem Jahr 1851, die der Barbarei der Sklavenhaltung in den amerikanischen Südstaaten erbarmungslos einen Spiegel vorhielt. NO99 entdeckt beunruhigend Aktuelles in diesem nur scheinbar der Vergangenheit angehörigem Stoff: Denn Sklaverei existiert noch immer – mit dem einzigen Unterscheid, dass „Sklaven“ nicht mehr ausschließlich Menschen mit dunkler Hautfarbe sind. Onu Tomi onnike/Onkel Toms Hütte steht für aufregendes und engagiertes Theater aus einem der Mitgliedsstaaten der EU.
Zusätzlich stellt das Volkstheater in einem Autoren-Feature am 27.11.2010 ab 19 Uhr den estnischen Autor Andrus Kivirähk in einer szenischen Lesung vor: Sein Stück Die Fibel (Aabitsa Kukk) - beim Heidelberger Stückemarkt 2009 mit dem Europäischen Autorenpreis ausgezeichnet - wird eingerichtet von Philip Jenkins. Ausserdem wird in einem Literaturmix ein kleiner Streifzug durch die estnische Literatur präsentiert. Das Programm runden an beiden Festivaltgen DJ-Lines ab. Die estnische Botschaft Wien richtet überdies bei der Eröffnung ein Buffet mit landestypischen Spezialitäten aus.
In Zusammenarbeit mit Kulturkontakt Austria, dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, der Botschaft der Republik Estland in Österreich und der Österreichisch-Estnischen Gesellschaft in Wien.
Programm: 26. November
19.00 Uhr Eröffnung mit Michael Schottenberg und der Botschafterin der Republik Estland in Österreich, I.E. Eve-Külli Kala
Im Anschl. Lesung Estnischer Literaturmix Neue estnische Literatur, gelesen von Tim Breyvogel u.a.
19.30 Uhr Onu Tomi onnike / Onkel Toms Hütte (NO80) nach Harriet Beecher-Stowe, Gastspiel des NO99 Ensembles, Estland
In estnischer Sprache mit deutschen Übertiteln*
Regie: Tiit Ojasoo, Ene-Liis Semper
Mit: Andres Mähar, Rasmus Kaljujärv, Eva Klemets, Sergo Vares, Inga Salurand, Marika Vaarik, Mirtel Pohla, Risto Kübar
Der Farbige Onkel Tom wird von seinem bisherigen Herrn, Mr. Shelby, aus Geldnot an den Sklavenhändler Haley verkauft, doch der behält ihn nicht lange: Schon während des Weitertransports auf einem Mississippi-Dampfer rettet Tom der kleinen Eva St. Clare das Leben, worauf ihr Vater Tom dem brutalen Haley abkauft. Das Mädchen und der gutmütige Tom schließen eine enge Freundschaft, bis eine Tragödie über die St. Clares hereinbricht: Als die kleine Eva und ihr Vater plötzlich an einer Krankheit sterben, versteigert die
habgierige Frau Marie ihren Sklaven Tom, trotz Mr. St. Clares Versprechen, ihn freizulassen.´Sein neuer Herr, Simon Legree, ist ein gemeiner Sadist. Als Tom sich weigert, andere Sklaven auszupeitschen, lässt Legree ihn zu Tode peitschen. Christopher Shelby, der Sohn von Toms erstem Herren, der gekommen ist, um ihn zurückzukaufen, kann nur noch Toms Leichnam mit nach Hause nehmen.
Nach landläufiger Meinung zählt Harriet Beecher-Stowes “Negergeschichte” Onkel Toms Hütte aus den Jahren 1851/52 zu den wenigen Kunstwerken, die die Welt nachhaltig und profund verändert hätten. Der Roman führte seiner amerikanischen Leserschaft drastisch die Grausamkeit von Sklaverei vor Augen und betonte, dass auch „Neger“ Gefühle haben. Der Legende nach ist dieser Roman mitverantwortlich für den Ausbruch des amerikanischen
Bürgerkriegs – war es doch genau dieses Bewusstsein, das schließlich zur Abschaffung der Sklaverei führte. Doch diese Legende lässt sich nicht halten: Zwar könnte der Roman tatsächlich für den Ausbruch des Bürgerkriegs mitverantwortlich sein, wie Abraham Lincoln sagte, als er die Autorin – eine zarte kleine alte Dame – traf, doch hat das Buch die Welt nicht wirklich
verändert. Sklaverei existiert noch immer. Niemand kümmert sich wirklich um die Gefühle von „Negern”, Andersdenkenden oder Andersaussehenden. Der einzige Unterschied – „Neger“ sind nicht mehr ausschließlich Menschen mit dunkler Hautfarbe. „Onkel Tom war nicht Spartakus. Er war nicht mal „Ol’ Dirty Bastard“, der Dichter der Freiheit und Barde der Ghettos. Er war ein einfacher Mann mit einfachen Wünschen und wenigen Träumen. Ein Kleinbürger? Nein, ein Sklave.“ (Tiit Ojasoo, Ene-Liis Semper)
22.00 Uhr Buffet (ausgerichtet von der Estnischen Botschaft Wien), DJ piep
DIE BESTEN AUS DEM OSTEN! - FOLGE 7: ESTLAND
Programm: 27. November
19.00 Uhr Autorenfeature: Andrus Kivirähk
Die Fibel (Aabitsa Kukk) deutsch von Irja Grönholm
Mit: Robert Prinzler
Einrichtung: Philip Jenkins
Mauno hat acht Jahre lang die 1. Klasse besucht und bezieht seine Lebensweisheit einzig aus dem Lesebuch der Erstklässler. Er ist zufrieden, liest in der Fibel, kommentiert das Gelesene und gewährt dem Zuschauer anhand dieser Kommentare einen Einblick in sein Leben. In Wirklichkeit fristet er aber das unwürdige, kärgliche Dasein eines Behinderten im Estland von heute. Mauno ist darüber hinaus Handlanger eines Kriminellen, wacht über
Einbrüche und hat sogar eine Leiche im Schrank. Er ist sich über die Tragweite seiner Handlungen keineswegs bewusst und meint, nur Gutes zu tun … Der Monolog Maunos entwickelt sich aus Sätzen seiner Kinderfibel – und offenbart Kivirähks Talent für abgründige, tiefschwarze Satire.
DIE FIBEL wurde beim Heidelberger Stückemarkt 2009 mit dem Europäischen
Autorenpreis ausgezeichnet.
20.30 Uhr Onu Tomi onnike / Onkel Toms Hütte
nach Harriet Beecher-Stowe
Gastspiel des NO99 Ensembles, Estland
In estnischer Sprache mit deutschen Übertiteln*
Regie: Tiit Ojasoo, Ene-Liis Semper
Mit: Andres Mähar, Rasmus Kaljujärv, Eva Klemets, Sergo Vares, Inga Salurand,
Marika Vaarik, Mirtel Pohla, Risto Kübar
22.15 Uhr DJ ONDULADA
Karten: 10 €, Kombiticket (für 26. & 27.11.) 15 €, Tel. 52111-400, www.volkstheater.at