Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Uraufführung: ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE von SIMONE SANDRONI - THEATER BIELEFELDUraufführung: ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE von SIMONE SANDRONI - THEATER BIELEFELDUraufführung: ZWISCHEN...

Uraufführung: ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE von SIMONE SANDRONI - THEATER BIELEFELD

Premiere 08.04.16 / 20:00 Uhr / Stadttheater. -----

Ich setzte einen Fuß in die Luft, und sie trug. (Hilde Domin) -- Für seine erste Zusammenarbeit mit den Bielefelder Philharmonikern hat der Chefchoreograph Simone Sandroni bewusst kontrastreiche Musik unterschiedlicher Epochen »zwischen Himmel und Erde« ausgewählt.

 

 

Den Rahmen des Abends bilden dabei Ausschnitte aus zwei klassischen geistlichen Werke des 18. Jahrhunderts: Joseph Haydns Sieben letzte Worte unseres Erlösers am Kreuze (1787) in ihrer ursprünglichen Orchesterfassung sowie Giovanni B. Pergolesis berühmtes Stabat Mater (1736), das der Komponist 26-jährig kurz vor seinem Tod vollendet hat. Als Gegenstück erklingt im Zentrum das Klavierquintett von Alfred Schnittke aus dem Jahr 1976 – ein zeitgenössisches Werk, das zwar

nicht für einen kirchlichen Anlass, aber als Gedenkkomposition an die verstorbene Mutter geschrieben wurde, und das als Inspirationsquelle für ein späteres Requiem zumindest leises religiöses Echo in sich trägt.

 

Die Choreographie allerdings wird sich diesen Entstehungskontexten ebenso wenig annähern, wie sie sich den Kompositionen unterzuordnen versucht. Während jegliche Illustration der liturgischen Texte und symbolische Ausdeutung der Musik vermieden werden soll, äußert sich das Verhältnis von Musik und Tanz viel eher unmittelbar und körperlich. Auch eine Auseinandersetzung mit konkreten Glaubenskulturen und -traditionen tritt unberührt hinter dem Unternehmen zurück, einen abstrakten und rein physischen Ausdruck für das Bedürfnis nach irdischer Verankerung einerseits und einer Sehnsucht nach Übersinnlichem andererseits zu finden.

 

Schließlich erscheint der Schwebezustand zwischen diesen beiden Extremen wie ein genereller Lebensbegleiter des Menschen, ganz unabhängig von seiner kulturellen Herkunft. In der tänzerischen Arbeit äußert sich dies – zuweilen bei verschobenen räumlichen Dimensionen – als ein konstantes

Wechselspiel zwischen Wagnis und Scheitern, Aufstand und Fall, Streben und Nachgeben, Erheben und Haltsuche. Die unermüdliche Anstrengung, Schwer- und Fliehkraft mit fast körperloser Leichtigkeit zu überwinden, wird dabei ein ums andere Mal von fremden Dynamiken, Mechanismen und

Absichten durchbrochen. Ausgehend von einer Analyse der ganz unterschiedlichen musikalischen Beschaffenheit, inspiriert von der gleichermaßen leiblichen und luziden Bildlichkeit italienischer Renaissancemalerei sowie über das Ausloten sämtlicher Grenzen und Möglichkeiten des Tanzes begegnet Simone Sandroni der ewigen Frage nach dem Sinn des Lebens vor allem in der Kunst selbst.

 

Der italienische Choreograph Simone Sandroni hat mit Beginn der Spielzeit 2015/16 als Nachfolger von Gregor Zöllig die künstlerische Leitung der Sparte Tanz am Theater Bielefeld übernommen. Sandroni ist Mitbegründer der Tanzkompanie Ultima Vez, mit der er von 1987 bis 1992 in Brüssel arbeitete. Ab 1993 brachte er dort mit seiner eigenen Gruppe Ernesto erste eigene Choreographien zur Uraufführung. 1996 gründete er in Prag gemeinsam mit Lenka Flory die bis heute bestehende internationale Tanzkompanie Déjà Donné, die seit 2006 ihren Hauptsitz in Perugia / Italien hat. Simone Sandroni kreierte mehr als zehn Tanzabende für Déjà Donné, mit denen er in 26 Ländern in Europa, Nord- und Südamerika sowie in Asien auf Tournee ging. Simone Sandroni ist außerdem international als Gastchoreograph tätig. So schuf er neue Stücke u. a. für das Nationaltheater Prag, das Festival de

Beweegin in Antwerpen, das Four Chambers Dance Project in Toronto, das Luzerner Theater, das Musikkonservatorium Bratislava, die Lublin Dance Company, sowie seit 2007 regelmäßig für das Bayerische Staatsballett in München. 2009 entwickelte er für das Tanztheater Bielefeld die Choreographie The Tempting Innocence und war am 7. und 8. März 2015 bei der Tanzgala Ein Fest mit Freunden vertreten. Neben seiner choreographischen Arbeit gibt er Workshops und

Meisterklassen in ganz Europa und den USA.

 

Musikalische Leitung Pawel Poplawski

Choreographie Simone Sandroni

Bühne und Kostüme Christa Beland

Dramaturgie Marie Henrion

 

Tänzer

Saori Ando, Tommaso Balbo, Joris Bergmans, Hsuan Cheng, Kenan Dinkelmann, Gianni Cuccaro, Noriko Nishidate, Sho Takayama, Johanna Wernmo, Elvira Zuñiga Porras

Gesang

Hasti Molavian, Nienke Otten // Anna Sophie Brosig, Rebekka Bigelmayr a. G.

 

Bielefelder Philharmoniker

 

Die nächsten Vorstellungen

10.04., 16.04., 28.04.,

01.05., 14.05., 22.05.,

28.05., 12.06., 09.07.16

 

Karten

0521 / 51 54 54

www.theater-bielefeld.de

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 19 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

NICHT AUF DEN LITURGISCHEN BEREICH BESCHRÄNKT --- Bruckners e-Moll-Messe und Motetten bei BR Klassik

Anders als die frühe d-Moll-Messe blieb die 1866 in Linz komponierte e-Moll-Messe nicht auf den liturgischen Bereich beschränkt. Die alten Kirchentonarten stehen bei der Messe in e-Moll von Anton…

Von: ALEXANDER WALTHER

GLUT UND FEUER -- Jubiläumskonzert 40 Jahre Kammersinfonie im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

1984 wurde dieser für die Region so bedeutende Klangkörper von Peter Wallinger gegründet. Unter der inspirierenden Leitung von Peter Wallinger (der unter anderem bei Sergiu Celibidache studierte)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑