Othello ist ein erfolgreicher und anerkannter Kriegsherr der venezianischen Armee. Sein Status scheint unantastbar und steht doch im Missverhältnis zu seiner dunklen Hautfarbe, die ihn zum Fremden macht. Heimlich gelingt es ihm, die kluge und mutige Desdemona zu heiraten, die sich mit ihrer Entscheidung für diese Liebe gegen ihren Vater stellt. Othellos Fähnrich Jago, enttäuscht darüber, bei einer Beförderung übergangen worden zu sein, spinnt eine Intrige. Er überzeugt Othello davon, dass Desdemona ihn betrügt. Othello tötet daraufhin Desdemona. Als er erkennen muss, einer Intrige seines Kontrahenten Jago aufgesessen zu sein, tötet er sich selbst.
Diese Tragödie konfrontiert das Publikum mit der Frage nach Bildern von Identität und deren Zerstörbarkeit. Othello arbeitet sich hoch und schafft es, ein souveräner und machtvoller General zu sein, um danach zum rasenden Tier, zum Mörder zu werden. Er erfüllt somit das Klischee des triebgesteuerten, wilden, schwarzen Mannes. Das Stück führt vor, wie die Vorurteile der anderen Othello
zu dem werden lassen, was sie in ihm sehen.
Estefania Miranda zeichnet ein Bild einer Gesellschaft, die das Fremde nicht integrieren kann. Sie erzählt von Strategien der Ausgrenzung und von der Abschottung europäischer Grenzen - Themen, die in letzter Zeit auf erschreckende Weise an Brisanz gewonnen haben. Tanz, Text, Musik und Video verbinden sich in den Inszenierungen von Estefania Miranda auf organische Weise. Sie schöpft aus ihren reichen Erfahrungen im Tanz und Schauspiel und entwickelt die Choreografie aus einer präzisen
Rollenführung der Hauptfiguren dieses Dramas. So entfaltet der Tanz Sinnlichkeit, Humor und eine emotionale Wucht, die den Zuschauer in die Seelenerkundung der Figuren hineinzieht.
Alle Bewegungsabläufe werden aus Improvisationen der Tänzer entwickelt und in einem dialogischen Prozess fixiert. Die eigens für diese Inszenierung komponierte Musik der niederländischen Künstler Jeroen Strijbos und Rob van Rijswijk greift musikalisch Aspekte der Bühne auf, die von Wasser umgeben ist und die Tänzer auf einer Insel einschliesst. Durch Projektionen, die durch den französischen Medienkünstler Yoann Trellu realisiert werden, entsteht eine zusätzliche inhaltliche Ebene, die vor allem auf die afrikanische Herkunft Othellos rekurriert und die Problematik der Kindersoldaten in Afrika sowie das Flüchtlingselend im Mittelmeerraum aufgreift.
frei nach der gleichnamigen Tragödie von W. Shakespeare
Choreografie & Regie Estefania Miranda
Bühne & Kostüme Gabriele Wasmuth
Musikkomposition Jeroen Strijbos & Rob van Rijswijk
Dramaturgie Christoph Gaiser
Video Yoann Trellu
Regiemitarbeit & Produktionsleitung Sebastian Golser
Assistenz Yu-Min Yang
Tanzcompagnie KonzertTheater Bern
Othello Winston Ricardo Arnon
Desdemona Maria Demandt
Iago Franklyn Lee
Emilia Miryam García Mariblanca
Cassio Vittorio Bertolli
Bianca Paula Alonso Gómez
Roderigo Norikazu Aoki
Weitere Vorstellungen: 02., 06., 11. Mai | 04., 12., 13., 19. Jun. 2014