2002 wird am Londoner Flughafen der Betrüger Robert Hendy-Freegard festgenommen, der über mehrere Jahre mindestens acht Menschen in seiner Gewalt hatte. Er brachte sie nicht nur um ihr Vermögen, sondern sukzessive auch um ihren Verstand, er hat sie demoralisiert und wieder aufgebaut, gequält, manipuliert, gelobt, beschützt, geschwängert und finanziell ausgebeutet. Dabei hat er seinen Opfern vorgegaukelt, er sei Geheimagent und im Einsatz gegen die irische Terrororganisation IRA. Er suche informelle Mitarbeiter, die für ihn Botengänge machen müssten. Mit Gehirnwäsche und psychologischer Gewalt brachte er seine Opfer dazu, ihm schließlich in den Untergrund zu folgen und ihm zu Diensten zu sein.
Wie jemand solche Macht erlangen konnte über die Psyche ihm fremder Menschen, wie er eine derartige Anziehungskraft auf sie ausüben konnte, so dass sie bereit waren alles für ihn zu tun, ihr Leben zurück ließen, Verbrechen begingen – diesen Fragen ist die Autorin Tina Uebel nachgegangen und hat Hendy-Freegards Geschichte zu einem faszinierenden psychologischen Kammerspiel umgearbeitet, das die Mechanismen einer solchen faschistoiden Machtergreifung im Dienste einer scheinbar guten Sache analysiert und vorführt.
DIE WAHRHEIT ÜBER FRANKIE ist in Hamburg angesiedelt. Der charismatische Frankie befreundet sich mit dem BWL-Studenten Christoph und eröffnet ihm, er sei als Geheimdienstagent gegen islamistische Terroristen im Einsatz. Nicht unwahrscheinlich in Hamburg, findet Christoph. Schließlich hatten die Attentäter des 11. Septembers dort ihre Basis. Frankie macht Christoph zu seinem Hilfsagenten. Der wenig selbstbewusste Student findet das cool. Endlich darf er sich fühlen wie die Helden in den Action-Filmen, die er so liebt. Unter einem Vorwand locken Frankie und Christoph auch dessen Kommilitoninnen Judith und Emma mit auf ihre „Flucht“….
Ausgangspunkt des Romans wie des Stücks ist eine Verhörsituation. Die drei aus der selbst gewählten Gefangenschaft befreiten BWL-Studenten müssen sich vor einer Polizeibehörde, vor sich selbst, vielleicht auch vor der Presse rechtfertigen, warum sie dem Verführer und Möchtegern-Agenten und Sadisten Frankie gefolgt sind. Wie konnte es passieren, dass sie ihr Studium, ihre Freunde und Familien belogen und um Geld brachten, ohne dass sie auch nur einen tatsächlichen Auftrag ausführten, ohne dass sie je erfuhren, was Frankie trieb oder wem ihre Geheimoperationen galten, ohne dass sie flohen, den Kontakt nach draußen suchten, ohne dass sie genug Misstrauen entwickelten, um auszusteigen? Sind diese drei bloß Opfer oder haben sie sich schuldig gemacht?
Diese Fragen stellen sich Emma, Judith und Christoph nun selbst, und sie haben kaum eine befriedigende Antwort. Dennoch scheint immer wieder ein tiefer Grund auf: Die Sehnsucht nach einem sinnvollen Leben jenseits des Vorhersehbaren, abseits von einem Durchschnittsleben mit Lebensversicherung und Reihenhaus. Ein Verlangen, aus der Masse heraus zu stechen, aber auch ihr überlegen zu sein, der Wunsch nach Konsequenz, Radikalität, nach einem Kick. Aber auch ein ganz ungelenkter, ja ungelenker Idealismus scheint zuweilen hervor und vielleicht auch nur der irre Gedanke, in diesem vorherbestimmten Leben einmal ein Held sein zu können.
Johannes Nehlsen und Christopher Weiß inszenieren eine eigene Bühnenfassung im Studio.
Inszenierung Johannes Nehlsen, Christopher Weiß
Ausstattung Christopher Weiß
Musik Jan Exner
Dramaturgie Nicola Bongard
mit Imme Beccard, Marie-Thérèse Fontheim; Jan Exner, Andreas Daniel Müller
Weitere Vorstellungen 17. und 22. Februar, 2. und 9. März 2012, jeweils 20 Uhr
Geeignet für Zuschauer ab 16 Jahren
Karten unter Telefon 0551-49 69 11 oder www.dt-goettingen.de