Vorarlberg als Teil der Schweiz – dies war das Ziel einer Bewegung, die Gespräche über einen Beitritt aufnehmen wollte. Im Mai 1919 stimmten über 80 Prozent der Wahlberechtigten Vorarlbergs für Verhandlungen mit der Schweiz. Daraus wurde jedoch nichts, die Schweiz zeigte dem armen Nachbarn bekanntlich die kalte Schulter. Grenzen wurden neu gezogen, das Ländle blieb bei Österreich. 100 Jahre später – ein guter Zeitpunkt um über diese Episode der Geschichte neu zu reflektieren: Was wäre, wenn Vorarlberg ein Kanton der Schweiz geworden wäre? Und: Wie wichtig sind Zugehörigkeit und Identität heute, angesichts durchlässiger Grenzen? In Vorarlberg, im Vierländereck, sind diese Begriffe fließend, Grenzüberschreitung und Diversität sind Teil des Alltags.
DIE VERUNSICHERUNG von Thomas Arzt, das erste Stück, beginnt im Restaurant „Kaiserstüberl“. Wirtin Uschi bringt dem Gsiberger Andi, Stammgast Michel und der Landesrätin für Tourismus, Umwelt und Landschaftspflege, Marianne Frühauf, eine Runde Bier. Etwas geht vor im Ländle: Straßensperren, Geheimnisse, Fremde mit unbestimmtem Auftrag. Vorarlberg soll neu vermessen werden, heißt es. Aber warum? Und von wem? Stadt, Land, EU? Der zugereiste Landvermesser Nathanael verweigert jede Aussage, nur die demente Roswitha erinnert sich an ein Ereignis vor hundert Jahren. Thomas Arzt entwirft ein zeitgenössisches Volksstück und lässt die Vorarlberger*innen um ihr Selbstbild, den Arlberg und die Frage ringen: Ist das noch mein Ländle?
Das zweite Stück, LAUTER VERNÜNFTIGE LEUTE von Gerhard Meister, startet im Jahr 1919: Vorarlberg stimmt ab und wird von der Schweiz angenommen. Doch im Jahr 1938 entscheiden die Vorarlberger*innen: Sie wollen zum Deutschen Reich gehören – um 1945 reumütig die Schweiz wieder um Aufnahme zu bitten. 2019: Die Vorarlberger*innen sind nun seit fast 100 Jahren Schweizer*innen, wenngleich mit Unterbrechung. Ein Chor von Stimmen streift durch diese 100 Jahre auf der Suche nach der wahren Identität. Alle kommen zu Wort. Alle sind wütend. Alle sind vernünftig? Gerhard Meister verändert mit seinem Gedanken-Experiment den Lauf der Geschichte und lässt in der historischen Fiktion die Vorarlberger*innen nach Nationalität, Sprache, Identität, Humor und Religion suchen.
Patricia Benecke studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Politikwissenschaft an der Universität zu Köln und erwarb den MA Drama am Royal Holloway College der University of London. Als Assistentin arbeitete sie in London am Young Vic, am Royal Court Theatre und bei Forced Entertainment. 1996 gründete sie die deutsch-britische Gruppe Dialogue Productions, mit der sie vor allem Erstaufführungen internationaler Gegenwartsstücke inszenierte, u. a. in London, beim Edinburgh Festival und mit Touren in ganz Großbritannien. Im deutschsprachigen Raum arbeitete sie u. a. am Staatstheater Nürnberg, Schauspiel Bonn, Hans Otto Theater Potsdam, Theater Dortmund, Konzert Theater Bern, Theater Freiburg, Theater Heilbronn, Theater Regensburg und am Staatstheater Darmstadt. Daneben ist Patricia Benecke als Londoner Theaterkorrespondentin für »Theater heute« und als Übersetzerin tätig.
Inszenierung: Patricia Benecke
Bühne und Kostüm: Carolin Mittler
Musik: Ivo Bonev
Licht: Arndt Rössler
Dramaturgie: Christa Hohmann
Regieassistenz: Sabrina Wieczorek
Ausstattungsassistenz: Lilli Löbl
Inspizienz: Eva Lorünser
Mit: Felix Defèr
Luzian Hirzel
Rahel Jankowski
David Kopp
Elke Maria Riedmann
Bo-Phyllis Strube
Termine Di 12.3. / Sa 23.3. / Fr 29.3. / So 7.4. / Mi 10.4. /
Do 18.4. , 19.30 Uhr, Grosses Haus
Gastspiel Do 11.4., 20.00 Uhr, Reichshofsaal Lustenau
Publikumsgespräch: So 7. April 2019, im Anschluss an die Vorstellung
Einführungen: vor jeder Vorstellung um 19.00 Uhr
Termin: Fr, 8. März, 17.00 Uhr, vorarlberg museum
„Kanton Vorarlberg“ oder „Kanton Übrig“?
Über den Versuch der Vorarlberger, Schweizer zu werden