Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
TÜRKISCHE TRAUERSPIELE - "Ibrahim Bassa / Ibrahim Sultan" - von Daniel Casper von Lohenstein, Staatstheater MainzTÜRKISCHE TRAUERSPIELE - "Ibrahim Bassa / Ibrahim Sultan" - von Daniel Casper...TÜRKISCHE TRAUERSPIELE -...

TÜRKISCHE TRAUERSPIELE - "Ibrahim Bassa / Ibrahim Sultan" - von Daniel Casper von Lohenstein, Staatstheater Mainz

Premiere am 12. Januar 2014, Deck 3. -----

„Gestürztes Asien! aus Ichts in Nichts und Staub verstobens Land!“, wehklagt in „Ibrahim Bassa“ ein Kontinent über den von einem Tyrannen verursachten Sturz. Allegorisch natürlich, wir befinden uns im barocken Drama.

Geschrieben hat es ein 15-Jähriger für sein Schultheater: Daniel Casper von Lohenstein (*1635) – laut Hubert Fichte „der deutsche Shakespeare“ – Sohn eines kaiserlichen Zoll- und Biergefälle-Einnehmers, Staranwalt und sicherlich der bedeutendste deutsche Barockdramatiker neben Andreas Gryphius. In seinem Bühnenerstling verbinden sich stilistische Wendigkeit des Rhetorikschülers und barocke Schauerdramaturgie mit Orientsehnsucht und „Türkenangst“ zu einer von heute aus gesehen kruden Mischung. In Lohensteins letztem Stück, dem 22 Jahre später verfassten „Ibrahim Sultan“, scheint sie noch gesteigert: Unwahrscheinlichste Orientalismen kommen im Gewand pragmatischer Rhetorikunterweisung daher, Zerstückelungsfantasien verkleiden sich als Gerichtsplädoyer, sexuelle Machtspiele werden als juristische Debatte ausgetragen.

 

Wie exotisch uns diese Dramatik selbst entgegentritt, wie fremd „der Mensch“ – vor seiner Erfindung durch den Humanismus der Aufklärung – in ihr agiert, und wie anders vor allem ihre Sprache klingt, die auch durch das „junge Medium“ Buchdruck geprägt ist, ist so erstaunlich wie faszinierend. Während Shakespeare und einige seiner Zeitgenossen über den Umweg des Sturm und Drang in den Kanon des deutschen Theaters gelangt sind, finden die sprachgewaltigen Werke Lohensteins nur äußerst selten auf unsere Bühnen. Noch immer scheint der Weg vom Heute zum Barock und wieder zurück ein – mit Walter Benjamins Aufsatz über das „epische Theater“ gesprochen – „Schleichpfad“, der quer durch das „erhabene, aber unfruchtbare Massiv der Klassik“ führt. Mit Regisseur Johannes Schmit, in Mainz durch bildstarke Ur- und Erstaufführungen postdramatischer Texte bekannt, wagen wir den „Tigersprung ins Vergangene“.

 

Inszenierung: Johannes Schmit

Bühne und Kostüme, Co-Regie: Markus Wagner

wissenschaftlicher Mitarbeiter: Sebastian Kirsch

Dramaturgie: Lisa Dressler / Katharina Gerschler

 

Mit: Nicole Kersten, Karoline Reinke; Tilman Rose, Mathias Spaan

 

20. Januar 2014

23. Januar 2014

30. Januar 2014

03. Februar 2014

06. Februar 2014

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 10 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

VERWIRRUNG BIS ZUM SCHLUSS -- "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano im Theater Atelier Stuttgart

Eine geschickt verwobene und raffinierte Handlung präsentiert Vladislav Grakovski in seiner Inszenierung des Kriminalstücks "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano. Spannung, Humor und…

Von: ALEXANDER WALTHER

BERÜHRENDE MOMENTE -- "Spatz und Engel" mit dem Tournee-Theater Thespiskarren (Produktion Fritz Remond Theater im Zoo, Frankfurt) im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

Edith Piaf und Marlene Dietrich stehen hier im Schauspiel mit Musik von Daniel Große Boymann und Thomas Kahry als zwei Göttinnen des Chansons im Mittelpunkt des Geschehens. Und es ist gar nicht so…

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑