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THEATER FREIBURG - THEMENTAGE CAPITALISM NOW: „Das Potential der Krise“

Vorträge, Diskussionen, Theater, Konzerte, Party

Freitag 13. – Sonntag 15. Februar 2009, Theater Freiburg

 

Im Rahmen der Reihe ‚Capitalism Now’ widmet sich das Theater Freiburg im Februar ein Wochenende lang der derzeitigen Krise

 

Freitag, 13.02.2009 BLACK FRIDAY

18.00 Uhr HOMO OECONOMICUS: Prof. Dr. Bernhard Neumärker

Kleines Haus

19.00 Uhr DAS KALTE HERZ - im Anschluss: Publikumsgespräch

Kleines Haus

21.30 Uhr WALDEN nach Henry Thoreau Kleines Haus

23.00 Uhr KONZERT Rauschgeschäft mit Bernadette La Hengst Kleines Haus

danach: Black Black Friday Party mit Mr. Tentacles

Jackson Pollock Bar

 

Samstag, 14.02.2009 GELD REGIERT DIE WELT

18.00 Uhr VON FAULEN KREDITEN ZUM FINANZ-TSUNAMI -

Eine Chronologie der Krise: Max Otte, Kleines Haus

19.00 Uhr BETTLEROPER - im Anschluss: Publikumsgespräch

Kleines Haus

22.00 Uhr KONZERT von Stimmgewitter Augustin Kleines Haus

23.00 Uhr MARATHON-LESUNG: Fegefeuer der Eitelkeiten Winterer-Foyer

 

Sonntag, 15.02.2009 TALER TALER DU MUSST WANDERN

11.00 Uhr EINKOMMEN ZUM AUSKOMMEN: Dr. Claus Schäfer Großes Haus

12.00 Uhr ROUND TABLE mit Claus Schäfer, Max Otte,

Enno Schmidt, Daniel Häni u.a. Winterer-Foyer

 

AKTIONSMONAT ANLÄSSLICH DER THEMENTAGE

Hartz 4-Empfänger können sämtliche Vorstellungen im Februar

zum Aktionspreis von 3.50 Euro besuchen

 

Im Rahmen der Reihe ‚Capitalism Now’ widmet sich das Theater Freiburg im Februar ein Wochenende lang der derzeitigen Krise:

„Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ fragt der Gangster Mackie Messer in Bertolt Brechts DREIGROSCHENOPER. Was lange Zeit nur noch als nostalgische Ganovenromantik wahrgenommen wurde, hört sich nach den Erfahrungen der letzten Monate auf einmal wie nüchterner Realismus an. In der Formulierung von Caspar Dohmen: „Geld regiert die Welt. Aber wer regiert das Geld?“ Die Banken etwa? Oder das, was sich als scheinbare Sicherheitsarchitektur darüber wölbt, die Bundesbank? Die Europäische Zentralbank? Die Weltbank? Der Internationale Währungsfonds? Alle, die in den Abendnachrichten gerne „Währungshüter“ genannt werden. Währungshüter klingt nach gutem Hirten, nach Aufsicht, Überblick und „wir haben die Dinge unter Kontrolle“. Weniges an dieser Krise war so beunruhigend wie die Presseauftritte dieser Währungshüter und ihr Eingeständnis, selbst nicht mehr so genau zu verstehen, was da eigentlich genau passiert. Jämmerlich ihr kleinlautes Flüchten unter den Schutzschirm der öffentlichen Hand.

 

Vielleicht wird man sich einmal an das Jahr 2009 als an den Moment erinnern, ab dem Politik wieder möglich wurde. Wenn, wie es scheint, in dieser Krise und durch diese Krise politisches Handeln wieder einen anderen Spielraum bekommt, müssen wir uns alle einer erweiterten Verantwortung stellen. Und also grundsätzlich über die Frage diskutieren: In welcher Zukunft wollen wir leben? Können wir uns eine Alternative zum Kapitalismus vorstellen? Welcher Art ist die Krise, die wir gegenwärtig durchleben und was bedeutet sie? Lässt sie sich überhaupt aus finanzwirtschaftlicher Perspektive angemessen beschreiben? Wenn sich so viele Beispiele dafür finden, dass der Kollaps des Finanzmarktes in seiner Zwangsläufigkeit kompetent vorhergesagt wurde, warum stehen die Politiker derart unvorbereitet vor dieser Situation? Wenn sich absurde Bonussysteme für Manager so leicht in Frage stellen lassen, warum konnten sich diese Spiele so lange halten? Warum heißen Aufsichtsräte eigentlich Aufsichtsräte und was zum Teufel beaufsichtigen darin eigentlich die Vertreter der Arbeitnehmer?

 

Überheben wir uns nicht mit diesen Fragen? Selbstverständlich! Haben wir die Fachkompetenz, sie umfassend zu erörtern? Natürlich nicht! Aber wenn die Masters of the Universe derart ratlos auf ihr Tun blicken und das Ausmaß der Zerstörungen, die sie anrichten, so große Folgen hat, dann müssen wir uns anmaßen, diese Fragen zu stellen. Dann müssen wir uns trauen, vermeintlich Fragloses wieder zu befragen. Außerdem können wir uns Rat bei Experten holen, und wir brauchen diesen Rat, um überhaupt erst mal zu verstehen, was da vor sich geht.

 

FREITAG, 13.2.09 - BLACK FRIDAY

 

Den Auftakt der Veranstaltungsreihe bildet am Freitag eine Einführung zum ‚Homo Oeconomicus’ von Prof. Dr. Bernhard Neumärker. Er wird in seinem Vortrag das aktuell dominante Menschenbild mit seinen ökonomischen Facetten hinterfragen und aus ordnungspolitischer wie verhaltensökonomischer Sicht erläutern. Unter diesem Blickwinkel zeigen wir im Anschluss zwei Inszenierungen, die sich explizit dem aktuellen Menschenbild widmen: ‚Das kalte Herz’ (Wilhelm Hauff, 1826) ist in die heutige Zeit übertragen: Spielt es an der Wall Street und zeigt die Strukturanalyse einer um Ressourcen ringenden Welt? Ist es die Geschichte vom durchschnittsdeutschen Jobber, der sich der Flexibilität des Marktes anpassen muss? Ist Peter Munk der Risiko-Investmentbanker, der meint immer gewinnen zu können, dessen Pump-Bubble aber plötzlich platzt? Ein Seminar bildet die Rahmenhandlung unserer Interpretation des ‚Kalten Herzens’. So wird das Märchen als kollektiver (Alb)Traum der hier versammelten Führungskräfte wahr. ‚Walden’ wird im Anschluss an ‚Das Kalte Herz’ dem Lebensbericht von Henry David Thoreau nachgehen. Er will das Leben im System von Arbeit und Konsum aus der Distanz heraus einer Überprüfung unter-ziehen: Kann man außerhalb der globalisierten, kapitalistischen Welt leben? Was sind unsere existentiellen Lebensbedürfnisse? Wie können wir sie befriedigen? Ist ein Widerstand gegen das System innerhalb des Systems möglich? Warum sind wir nie mit weniger zufrieden? Glauben wir an die Veränderbarkeit der Verhältnisse? Nach zwei Jahren im Wald bricht Thoreau sein Projekt wieder ab. Er schließt das Experiment der Selbstversorgung mit einem wirtschaftlichen Minus ab. Dennoch verlässt er den Wald ohne Groll. Für diese Theaterprojekt waren die Texte von Henry David Thoreau der Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung mit uns selbst und unserer heutigen Realität und Gesellschaft. Im Anschluss an beide Vorstellungen kann gemeinsam mit Bernhard Neumärker diskutiert werden bevor das Konzert Rauschgeschäft von Bernadette La Hengst und der ‚sureal house’ von Mr. Tentacles uns eine Black Black Friday Party bescheren werden.

 

SAMSTAG, 14.2.09 - GELD REGIERT DIE WELT

 

Der Samstag steht ganz im Zeichen des Geldes: Max Otte, Autor des Buches ‚Der Crash kommt’ (2005) wird uns in seinem Vortrag ‚Von faulen Krediten zum Finanz-Tsunami’ in die Chronologie der Krise einführen. Doch was genau ist eigentlich in der Krise? Die Banken? Der Finanzmarkt? Die neoliberale Marktideologie? Und wer zahlt die Kosten dieser Krise?

 

Der aktuellen Schere zwischen arm und reich widmen wir uns im Anschluss in der ‚Bettleroper’: Mit seiner »Beggar’s Opera« schuf der Brite John Gay im Jahr 1728 eine Parodie auf das Großbürgertum des merry old Georgian England und zugleich eine der berühmtesten Parodien der Theatergeschichte überhaupt. In seinem Sittenbild stellt er – entgegen der damaligen Konvention – nicht die Reichen und Schönen ins Zentrum, sondern die Armen am Rande der Gesellschaft. Genau diesen Menschen und Zuständen gilt auch das Interesse unserer Bettleroper. Der aktuelle Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung ist dabei genauso Arbeitsgrundlage wie die Theorien zum bedingungslosen Grundeinkommen. Kann man gut betteln? Besser betteln? Was macht einen erfolgreichen Bettler aus? Was können Bettler von Schauspielern lernen und umgekehrt? Und mit welcher Strategie bettelt Opel bei der Kanzlerin?

 

Freiburger Obdachlose und Hartz-4-Empfänger stehen für dieses Schauspiel-Projekt im Zentrum unseres Interesses: Christin Arnold, Falko Gottsberg-Jakobs, Uli Herrmann, Georg Kaiser, Johanna Krause, Sonja Seelig, Hannes Moritz, Andreas Onnasch, Daniel Otero, Thomas Seifert und Wolfgang Steidel sind zum Teil ohne festen Wohnsitz, zum Teil Hartz-4-Empfänger, zum Teil Bauwagenbesitzer und zum Teil (ehemalige) Bettler oder Flaschensammler mit denen wir gemeinsam diesen Theaterabend gestalten.

Im Anschluss an die Vorstellung können Sie gemeinsam mit Max Otte die aktuelle Problematik diskutieren, danach wird uns der Obdachlosenchor ‚Stimmgewitter Augustin’ aus Wien ein Konzert geben.

 

Im Lauf der Nacht entsteht schließlich neue Hoffnung: Mit einer Marathon-Lesung von ‚Fegefeuer der Eitelkeiten’ schlagen wir uns gemeinsam die Nacht um die Ohren: Tom Wolfe stellt in diesem Roman den genussvoll ausgespielten, hemmungslosen Egoismus und die zynische Brutalität eines Großstadtmenschen aus, die jeden und alles verschlingende Berechnung. Ein Freudenfest des Kapitalismus also bevor wir uns zum Abschluss dieses Wochenendes mit möglichen Alternativen befassen: Können wir uns eine Alternative zum Kapitalismus überhaupt noch vorstellen? Wenn ja, welches wären die Veränderungen, die wir in unserer Gesellschaft vornehmen sollten. Könnte das bedingungslose Grundeinkommen eine mögliche Form dafür sein?

 

SONNTAG, 15.2.09 - TALER TALER DU MUSST WANDERN

 

Dr. Claus Schäfer, der am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften (WSI) in Düsseldorf arbeitet (Träger: Hans-Böckler-Stiftung), ist vom Deutschen Gewerkschaftsbund eingeladen, den Vortrag ‚Einkommen zum Auskommen’ zu halten: Eine Ursache der Finanzmarktkrise wird viel zu wenig diskutiert: Die seit Jahren zunehmende Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensverhältnisse – und dahinter stehende Denk- und Handlungsmuster von Wirtschaft und Politik. Will man die Verteilungsungleichheit als eine Krisenursache für Finanzmarkt wie Realwirtschaft beseitigen, muss man eine völlig andere Verteilungspolitik betreiben. Zwei spezielle Verteilungsinstrumente sollen im Vortrag besonders diskutiert werden: Ein gesetzlicher Mindestlohn und ein bedingungsloses Grundeinkommen. Beide werden in der entsprechenden Debatte häufig auch als komplementär zueinander angesehen. Der Vortrag prüft ihr Verhältnis und beleuchtet jeweilige Vorteile wie auch vorhandene Nachteile.

 

Zum Abschluss dieses Wochenendes werden diese gemeinsam mit Max Otte (s.o.) sowie Daniel Häni und Enno Schmidt (Regisseure des Filmessays Grundeinkommen – Kulturimpuls) diskutiert.

 

In Kooperation mit dem Kommunalen Kino werden folgende Filme gezeigt:

 

L'ARGENT

CDN 2003 | OmU | 65 Min. | Regie: Isaac Isatan

 

Wie stabil ist unser ökonomisches System in Zeiten der Globalisierung? Währungskrisen wie in Argentinien und der Türkei vernichten die Ersparnisse eines ganzen Arbeitslebens. Menschen vor Ort führen lokale Währungen ein, um den Wert von Arbeit und Produkten trotz Inflation wiederherzustellen. Ein präziser Blick auf die verborgenen Seiten des Geldes.

 

Nicht ohne Risiko

Deutschland 2004 | 50 Min.

 

Was Venture Capital, kurz VC, deutsch Risiko-Kapital ist, wird im Film selbst erklärt. Banken geben Geld nur gegen Sicherheiten. Wer die nicht hat, muss sich an VC-Gesellschaften wenden, und zahlt dafür 40% Zinsen. Mindestens. Wir hatten bei den verschiedensten Firmen Aufnahmen gemacht, bei VC-Gesellschaften, die Projekte diskutieren, bei Unternehmern, die eine Idee in Form bringen wollen, bei Beratern, die die Präsentation einüben. Dann aber beschränkten wir uns auf eine einzige Verhandlung an nur zwei Tagen. Als ich den Anwalt der kapitalsuchenden NCTE sagen hörte: "Wir sind ein bischen enttäuscht über das Angebot", fühlte ich mich in einen Coen-Brothers-Film versetzt. Die Akteure in unserem Storyfilm sind geistesgegenwärtig und voller Darstellungslust. Sie verhandeln, zu welchen Konditionen 750.000 Euro vergeben werden sollen. Nachdem sie sich zunächst nicht einigen können, weichen sie auf ein allgemeines Gespräch über stategische issues aus. Da wird deutlich, dass die NCTE, Hersteller von berührungslosen Drehmoment-Sensoren schon mit grossen Firmen im Gespräch ist. Und das entzündet die Phantasie, die Welt ist voller Möglichkeiten und es ist eine Lust, diese abzuwägen.Vor der nächsten Verhandlungs-Runde entsandten beide Parteien je einen Vertreter zu einer Besprechung, von der wir nichts wussten. Sie einigten sich, aber das hielt im Gespräch nicht stand. Nochmals kam es zu einer überraschenden Wendung. Man könnte geneigt sein, die Partei des Erfinder-Unternehmers einzunehmen, Arbeit gegen Kapital. Aber auch er will seinen Betrieb in eine paar Jahren zu Geld machen. (Harun Farocki)

Regie: Harun Farocki | Buch: Harun Farocki, Matthias Rajmann | Kamera: Ingo Kratisch

 

Grundeinkommen

Schweiz 2008 | 100 Min. | Regie: Enno Schmidt und Daniel Häni

 

»Ein Einkommen ist wie Luft unter den Flügeln!« so beginnt der Film. Sollte das für jeden bedingungslos sein? Kann es das geben: ein wirtschaftliches Bürgerrecht? Das löst Emotionen aus und Fragen: Mehr Möglichkeiten zur eigenen Initiative? Oder der Untergang der Leistungsgesellschaft? Und wie soll es bezahlt werden? Der Film mischt Festgefahrenes auf, zeigt Überraschendes, lässt mit- und weiterdenken.

»Es ist ein kleiner kluger Film über den Zustand unserer Welt. Eine Art ›Sendung mit der Maus‹, die zu erklären versucht, wie das Grundeinkommen funktioniert, wer es finanzieren und was es bewirken könnte.« (Mikael Krogerus, brand eins)

 

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