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Staatstheater Stuttgart: "Im Dickicht der Städte" von Bertolt Brecht Staatstheater Stuttgart: "Im Dickicht der Städte" von Bertolt Brecht Staatstheater Stuttgart:...

Staatstheater Stuttgart: "Im Dickicht der Städte" von Bertolt Brecht

Premiere: Freitag, 22. Juni 2007, 19.30 Uhr, Schauspielhaus.

 

"Sie befinden sich im Jahre 1912 in der Stadt Chicago. Sie betrachten den unerklärlichen Ringkampf zweier Menschen...", stellt der junge Brecht seinem als schwierig geltenden Stück wie eine Gebrauchsanweisung voran, als er es 1926 für den Neudruck überarbeitet.

Damit ist ausgesprochen, worum es geht, und worum es nicht geht: "Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über die Motive dieses Kampfes, sondern beteiligen Sie sich an den menschlichen Einsätzen, beurteilen Sie unparteiisch die Kampfform der Gegner und lenken Sie Ihr Interesse auf das Finish."

 

Eines Tages sagt der malaiische Holzhändler dem Leihbibliothekar George Garga den Kampf an. Indem dieser widersteht, aber erschüttert ist, erweist er sich als der richtige Gegner. Es folgt eine Reihe von Runden, die mal an den einen, mal an den anderen Kontrahenten geht. Shlink büßt seinen Besitz ein, Garga seine sozialen Bindungen. Seine Schwester, seine Eltern und seine Verlobte werden Spielball in der Auseinandersetzung. Auge um Auge, Zahn um Zahn, geht es um Alles oder Nichts, um den Kampf als geistige Existenzform. Während Garga mehrere Ausweichmanöver versucht, beißt Shlink sich fest. Er beharrt auf der Unausweichlichkeit des Pakts, solange beide Partner auf dem Platz sind. Es vergehen Jahre, ein Holzhandel steigt und fällt im Kurs und wechselt mehrfach den Besitzer, Shlinks Truppe verlässt ihn, eine Familie zerfällt, zwei Frauen verkommen, Garga nimmt sogar Gefängnis in Kauf, um Shlink am Ende die Lyncher auf den Hals zu hetzen. Es kommt zu einer letzten großen Konfrontation, die mit der Niederlage aus Erschöpfung des einen und dem unglücklichen Sieg des anderen endet. "Das Chaos ist aufgebraucht, es war die beste Zeit."

 

Mit seiner kühnen Grundbehauptung, der mythisch aufgeladenen Metaphorik und den ins Spiel gebrachten Gegensatzpaaren - Stadt/Land, Realismus/Idealismus, geistig/körperlich, Isolation/Gemeinschaft, Mann/Frau, alt/jung, Spiel/Ernst - bietet das frühe Brecht-Stück den idealen Boden für einen heutige Sicht. Einer, der alles schon kennt und nichts mehr zu verlieren hat, erwählt sich einen, der erst alles gewinnen will. Außer um den Kampf selbst geht

 

es auch um die Frage, wer definiert, was der Kampf ist und wie er geht.

 

Regie: Hasko Weber, Bühne und Kostüme: Anette Hachmann, Musik: FM Einheit, Dramaturgie: Kekke Schmidt

Mit: Susana Fernandes Genebra (Jane Larry), Jonas Fürstenau (George Garga), Felix Goeser (Shlink), Ernst Konarek (John Garga), Martin Leutgeb (Pat Manky), Sebastian Röhrle (Skinny), Catherine Stoyan (Mae Garga), Lilly Marie Tschörtner (Marie Garga), Jens Winterstein (Collie Couch, genannt der Pavian)

 

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