Macht: Ist das Festschreiben der uneingeschränkten Weltherrschaft Ziel dieser Begierde oder der Wunsch nach einer grundsätzlich neuen Ordnung der Welt? Restauration oder Revolution? Stagnation oder Veränderung? Systembes-tätigung oder individuelle Handlungsfreiheit? Zwei Generationen lang schwelt nun schon dieser Konflikt, und seine Verursacher sind wahrlich alt geworden. Alte Männer, die seit Jahren um die Ideale und Utopien ihrer Ju-gend ringen, die selbst nicht mehr fähig sind zu handeln – und trotzdem oder gerade deswegen vom Warten nicht ablassen können. Jeglicher Gedanke an Veränderung scheint sich längst ad absurdum geführt zu haben. Was Not tut ist ein Neuer, Unverdorbener, Unverbrauchter: Siegfried, Wälsungen-Abkömmling, Sohn aus der inzestuösen und ehebrecherischen Verbindung zwischen Sieglinde und Siegmund, Enkel Wotans – Hoffnungsträger par excellence für die hoch fliegenden Pläne einer neuen Welt: Ist er nun wirklich der neue Mensch, der Retter, der Held? Unbelastet vom Wissen über alte Zusammenhänge, getrieben nur vom eigenen Willen – hier scheint wirklich Neues entstehen zu können.
Siebzehn Jahre hält ihn Mime fern von allem, was Zivilisation sein könnte. Alberich und Wotan lauern im Hintergrund. Doch Siegfried selbst wird zunehmend vom Bedürfnis getrieben, mehr über sich, seine Herkunft und seine Geschichte zu erfahren. Eigentlich ist das nichts weiter, als das aufkeimende Bewusstsein eines Jugendlichen – und genau hierin liegt die Dynamik, energievoll in die Zukunft schreiten zu wollen und gleichzeitig vor sich selbst zurückzuschrecken. Der Forschheit folgt die Furcht auf dem Fuße. Aller Taktik der Alten zum Trotz geht Siegfried intuitiv seinen Weg. Er findet Brünnhilde und damit die Liebe. Unterliegt er nun auch dem Kampf der eigenen Begierden, dem Wotan sich seiner Zeit unterworfen fühlte: »Als junger Liebe Lust mir verblich, verlangte nach Macht mein Mut – von der Liebe doch mocht’ ich nicht lassen«? Folgt der individuelle Weg doch nur ewig gleichen Gesetzen?
Seit 2006 begleitet uns das Monumentaldrama Richard Wagners, das uns immer wieder die zentrale Frage stellt, in welcher Zukunft es zu leben gilt. Besonders interessiert hat uns dabei stets, wie sehr Wagner dem hochfliegenden utopischen Gedanken die Desillusion einschreibt, wie sehr jeglicher drängende Wunschtraum unerfüllt bleibt, da sich der Mensch im Gewirr seines Intellekts und sei-ner Emotionen verliert. Taktik und Intuition, Egomanie und Verzagtheit, Machtgebaren und Angst: Was den Men-schen letztendlich antreibt, scheint weniger sein ziel-gerichteter Plan, sondern die Widersprüchlichkeit seines Denkens und Fühlen zu sein.
Nachdem Regisseur Frank Hilbrich in der Spielzeit 2006/7 den Freiburger »Ring« mit dem »Rheingold« eingeläutet hatte und 2007/8 seine »Walküre« von der Fachzeitschrift »Opernwelt« als »Inszenierung des Jahres« nominiert wur-de, wendet er sich nun mit dem »Siegfried« dem Zweiten Tag des »Ring der Nibelungen« zu. In der Spielzeit 2009/10 wird das Theater Freiburg mit der »Götterdämmerung« Wagners Tetralogie abschließen, womit im Herbst 2010 zum ersten Mal nach über 50 Jahren wieder ein kompletter »Ring«-Zyklus in Freiburg zu sehen sein wird. Die musikalische Leitung des
Philharmonischen Orchesters Freiburg hat Generalmusikdirektor Fabrice Bollon. Der »Siegfried« wird nach der Premiere am Sonntag, den 14. Juni 2009, um 17 Uhr im Großen Haus des Theater Freiburg nur noch an drei weite-ren Abenden gezeigt. Danach wird er erst im Herbst 2010 als Teil des kompletten »Ring«-Zyklus’ wieder aufgeführt werden.
Libretto vom Komponisten
Mit deutschen Übertiteln
Musikalische Leitung Fabrice Bollon
Regie Frank Hilbrich
Bühnenbild Volker Thiele
Kostüme Gabriele Rupprecht
Beleuchtung Michael Philipp
Dramaturgie Dominica Volkert
Studienleitung und musikal. Assistenz Thomas Schmieger
Siegfried Gunnar Gudbjörnsson
Mime Roberto Gionfriddo
Der Wanderer Peteris Eglitis
Alberich Neal Schwantes
Fafner Gary Jankowski
Erda Anja Jung
Brünnhilde Sabine Hogrefe
Waldvogel Lini Gong
Philharmonisches Orchester Freiburg
Weitere Vorstellungen im Großen Haus:
So 21.6. 17 Uhr
Do 25.6. 18 Uhr
So 28.6. 17 Uhr
Am Sonntag, den 28. Juni 2009, veranstaltet das Theater Freiburg zusammen mit dem musikwissenschaftlichen Semi-nar der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg einen »Sieg-fried-Tag«. Um 15 Uhr beginnt unter dem Titel »Out of Nibelheim« im Winterer-Foyer eine Kaffeestunde mit Ein-blicken in die
Rezeptionsgeschichte von Wagners »Ring«. Hierzu ist der Eintritt frei. Um 17 Uhr kann dann die letzte »Siegfried«-Vorstellung besucht werden.