Am Beispiel von Ismene, der Schwester von Antigone, spielt der Monolog der niederländischen Schriftstellerin Lot Vekemans ein solches Schattendasein auf berührende Weise und mit trockenem Humor durch. Denn ihren Humor hat Ismene in all den Jahren in der Abstellkammer der Geschichte nicht verloren, als sie nach 3000 Jahren des Verges-senseins zum ersten Mal wieder ins Licht tritt – zufälligerweise gleich auf einer Bühne … Nach einer Schrecksekunde ergreift sie die Gelegenheit und erzählt, wie es war, als Tochter des Ödipus und Schwester von Polyneikes, Eteokles und Antigone: „Meine ganze Familie / Ein Haufen Verrückter/ Vater stach sich eigenhändig die Augen aus / Mutter hängte sich höchstpersönlich an einem Strick auf / Und meine Brüder durchbohrten einander das Herz für diesen bescheuerten Thron / Irre, alle.“
Ein Stück über die Schwierigkeit, normal zu sein in einer Welt, in der alle nur Augen für das Besondere haben. Ein Stück, gewidmet allen Zaghaften und Zweiflern, allen Zaudernden und Schwankenden.
Lot Vekemans wurde im niederländischen Oss geboren. Seit 1995 schreibt sie Stücke für das Kinder- und das Erwachsenentheater, darunter Truck Stop (2002), Zus van (Schwester von, 2005), Judas (2007), Gif (Gift. Eine Ehegeschichte, 2009) und Vals (Falsch, 2013). Im Jahr 2012 veröffentlichte Vekemans ihren ersten Roman, der 2016 unter dem Titel Ein Brautkleid aus Warschau auch auf Deutsch erschien.
Regie: Sascha Mey