Aus dem Berliner Hebbel am Ufer, dem zur Zeit wichtigsten Spielort Freien Theaters in Deutschland, kommen: »Hell on Earth«, das rasante Tanztheaterstück von Constanza Macras, das derzeit national und international für Furore sorgt, und »Ein Warngedicht«, in dem Regisseur Tamer Yiğit, einer der Shootingsstars der Kreuzberger Film- und Theaterszene, zusammen mit migrantischen Jugendlichen das Credo ausgibt »Poesie statt Gewalt«. Das Junge Schauspielhaus in Hamburg, seit Jahren führend in der deutschen Jugendtheaterlandschaft, ist mit einer Romanadaption von Gilbert Adairs »Träumer« vertreten. Ein Stück über Sexualität, Passion und Protest und den Sinn von moralischen Grenzen. Vom Schauspiel Essen wird Ferdinand Bruckners »Krankheit der Jugend« in einer Bearbeitung von Nuran David Calis zu sehen sein, der in Hannover durch seine Inszenierungen von »Frühlings Erwachen!« und »Kabale und Liebe« bekannt ist. Vom Theater an der Parkaue in Berlin haben wir die Bühnenfassung des oscarprämierten Films »Boys Don’t Cry« eingeladen. Die brisante und tragische Geschichte des Brandon Teena, der eigentlich Teena Brandon heißt und sein wahres Geschlecht zu verbergen sucht.
Im Anschluss an die Vorstellungen finden in den Foyers Publikumsgespräche statt.
Das Programm im Einzelnen:
"Hell on Earth"
Choreographie: Constanza Macras / DorkyPark
am 7. und 8.3. um 19.00 Uhr im Ballhof eins | Für alle ab 14
Eine Produktion von Hebbel am Ufer Berlin und Constanza Macras / DorkyPark in Koproduktion mit Kampnagel Hamburg
Im Jahr 2003 hat die Choreographin Constanza Macras TänzerInnen ihrer Kompanie DorkyPark und Kinder aus dem sozialen Brennpunkt Neukölln zu Stars eines Abends gemacht: »Scratch Neukölln«, eine verrückte großartige Party mit viel Hip-Hop und Gesang. In ihrem neuen Stück »Hell on Earth« schafft Macras den mittlerweile jugendlichen Neuköllnern erneut ein Forum. Zusammen mit den Profitänzern singen, rappen, tanzen und erzählen sie aus ihrem Leben.
Die große Resonanz auf »Hell on Earth« spiegelt sich in zahlreichen Einladungen zu renommierten Festivals wider, wie dem Festival »Politik im Freien Theater«, dem 10. Deutschen Kinder- und Jugendtheater-Treffen »Augenblick mal!« in Berlin und »Theaterlust1« im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt Linz09.
Mit: Ronni Maciel, Hyoung-Min Kim, Tatiana Eva Saphir, Tonahtiu Diaz, Denis Kuhnert/Kooné, Hyun-Jung Wang, Santiago Blaum, Kristina Lösche-Löwensen, Lulu Akkouch, Jonathan Trinh-Bomme, Fatma & Assem & Ahmad El-Moustapha, Mahmoud Zayab, Jonas Kilian, Janina Schmidt, Avital Lvova, Lisa Rennebaum, Lial Akkouch, Damla Erdogmus
Regie und Choreographie: Constanza Macras
Choreographische Beratung: Kadir Amigo Memis
Dramaturgie: Carmen Mehnert
Bühne: Tal Shacham
Kostüme: Constanza Macras, Tal Shacham
Musik: Santiago Blaum, Kristina Lösche-Löwensen
"Ein Warngedicht"
von Tamer Yiğit und Branka Prlić
am 7.3. um 21.00 Uhr im Ballhof zwei | Für alle ab 14
Hebbel am Ufer, Berlin
Für »Ein Warngedicht« hat Filmemacher und Regisseur Tamer Yiğit an Schulen in Berlin Kreuzberg, Neukölln und Lichtenberg Gespräche mit Jugendlichen über ihren Schulalltag geführt. »Niemand glaubt, dass man dort wirklich etwas lernt«, sagt Yiğit. »Die Lehrer nicht und die Schüler erst recht nicht.« Die Erfahrungen, Sehnsüchte und Fragen der Jugendlichen bilden die Grundlage für Yig˘ its Stück. Vier der Schüler rappen, spielen, deklinieren die Geschichten der vier migrantischen Jugendlichen Talu, Almila, Knut und Tony. Ihre Träume, ihre Chancen und ihren Alltag fassen sie in eine sehr poetische, klare und direkte Sprache.
Die Bilder, die die drei Jungs und Almila, das »Ghettomädchen«, von sich auf die Bühne stellen, sind geformt von einer Suche nach sich selbst und von inneren Kämpfen. Es gibt äußere Gegner: Schule, Lehrer, Eltern, wie das eben so ist mit sechzehn Jahren. Schon etwas schwerer ist der Umgang mit den Klischees, die ihnen, den Deutschtürken aus Kreuzberger Schulen, entgegengebracht werden. Talu hat sich entschlossen, ihnen nicht zu entsprechen und Bildung als seine Chance zu begreifen. Almila nimmt die Bilder an, dreht und wendet sie ins Glamouröse. Darin, wie Tamer Yiğit , als Regisseur und als Musiker live auf der Bühne, den vier Schülern beisteht, liegt eine große Kraft. (die taz)
Mit: Almila Bag˘ riaçik, Ömer Tarakcı, Talu Emre Tüntas¸ , Haydar Yılmaz, Stefan Andres
Regie: Tamer Yiğit und Branka Prlić
Bühne: Nele Ahrens
Musik: Volkan Türelli und Tamer Yiğit
Visuals: Branka Prlić
Regieassistenz und Produktionsleitung: Marie Viertmann
"Träumer"
nach dem Roman von Gilbert Adair
in einer Fassung von Daniel Wahl
am 9. und 10.3. um 19.30 Uhr im Ballhof zwei | Für alle ab 16
Deutsches Schauspielhaus in Hamburg/Junges Schauspielhaus
Das Jahr 1968 steht für Aufbruch, Utopie und die Hoffnung, die Welt verändern zu können. Junge Regisseure revolutionieren das Kino, drehen Filme, die auf radikale und bis dahin ungewohnte Weise Gewalt und Sex darstellen. Die Cinémathèque Française in Paris zeigt diese gesellschaftskritischen Bilder. Als die Cinémathèque aus politischen Gründen geschlossen werden soll, kommt es zu massiven Protesten. Auch Théo, seine Zwillingsschwester Isabelle und Matthew, ein junger, schüchterner Amerikaner, mischen sich unter die Revoltierenden. Doch bald schon verlieren sie das Interesse am öffentlichen Protest und ziehen sich in ihre Wohnung zurück. Sie beginnen ein Film-Quiz, spielen sich Szenen aus ihren Lieblingsfilmen vor und erhöhen ständig die Einsätze. Wer verliert, muss seine Schuld durch Taten begleichen. Es entwickelt sich ein Spiel um Lust und Begierde. Sie lieben und quälen sich, entdecken die Freiheit der Sexualität, entblößen nicht nur ihre Körper, sondern auch ihre Seelen. Abgeschottet von der Gesellschaft, überschreiten die Träumer die Grenzen der bürgerlichen Moral.
Mit: Laura de Weck, Konradin Kunze, Renato Schuch
Regie: Daniel Wahl
Bühne und Kostüme: Viva Schudt
Musik: Benjamin Brodbeck
Dramaturgie: Michael Müller, Steffen Sünkel
Licht: Björn Salzer-Tondorf
"Krankheit der Jugend"
von Nuran David Calis
nach Ferdinand Bruckner
am 10. und 11. 3. um 19.30 Uhr im Ballhof eins | Für alle ab 16
Schauspiel Essen
Die Sehnsucht nach Glück ist kein Privileg der Jugend allein. Aber vielleicht gibt es eine Zeit im Leben, in der einem die Schwierigkeiten dieser Glückssuche und der damit verbundene Schmerz am deutlichsten bewusst werden. In Ferdinand Bruckners »Krankheit der Jugend« sind es sechs Studenten, die sich in einem zerstörerischen Spiel mit Sexualität, Drogen und gegenseitiger Abhängigkeit auf die Suche nach dem Lebenssinn begeben. Der Autor und Regisseur Nuran David Calis bearbeitet Bruckners rauschhaftes Stück und stellt dabei auch die Frage, was diejenigen heute interessiert, die vielleicht morgen die Elite unseres Landes sind. Nuran David Calis ist Regisseur und Autor mit großem Gespür für die Sprache und das Lebensgefühl junger Menschen. Zunehmend beschäftigt er sich mit literarischen Stoffen, die er mit seinen eigenen sprachlichen, theatralen und musikalischen Mitteln ins Heute überführt. So kamen am schauspielhannover seine vielbeachtete Bearbeitung von Wedekinds »Frühlings Erwachen!« und seine Inszenierung von Schillers »Kabale und Liebe« zur Aufführung.
Mit: Matthias Eberle, Barbara Hirt, Anna König, Nadja Robiné, Nicola Mastroberardino, Wanda Columbina Perdelwitz, Krunoslav Šebrek
Regie: Nuran David Calis
Bühne: Irina Schicketanz
Kostüme: Silke Rekort
Video: Karnik Gregorian
Musik: Vivan Bhatti
Dramaturgie: Thomas Laue
"Boys Don’t Cry"
Die Geschichte des Brandon Teena
in einer Fassung von Esther Hattenbach
am 12. und 13.3. um 19.30 Uhr im Ballhof zwei | Für alle ab 16
Theater an der Parkaue, Berlin
Nebraska, USA, 1993: Brandon Teena, 20 Jahre alt, gut aussehend und voller Energie, schließt sich einer Gruppe von Leuten an und folgt ihnen in das Provinznest Falls City. Dort lebt er für kurze Zeit ein unabhängiges Leben mit Partys, Freunden und mit Lana, die er heiraten will. Der Traum endet nach wenigen Wochen: Brandon wird von Mitgliedern seiner Clique vergewaltigt und hingerichtet. Sie hatten entdeckt, was er bisher verborgen hatte – seinen weiblichen Körper. Schätzungsweise ein Mensch von 10.000 ist transsexuell: geboren im falschen Körper. 7587 Menschen wurden 1993 in den USA Opfer so genannter »hate crimes«, einer davon war Brandon Teena. Seine Geschichte ist aber nicht nur die von Diskriminierung und Verfolgung, sondern die eines jungen Menschen auf der radikalen Suche nach Identität. Der Fall Brandon Teena war u.a. Vorlage für den Film »Boys Don’t Cry« mit Hilary Swank in der oscarprämierten
Hauptrolle.
Mit: Birgit Berthold, Katrin Heinrich, Niels Heuser, Sonja Jehle, Hagen Löwe, Anja Pahl
Regie: Esther Hattenbach
Bühne und Kostüme: Regina Lorenz
Foto: Christian Brachwitz