Die emotionale Entwicklung zweier junger Menschen, die sich einfach nur lieben wollen und doch keinen anderen Ausweg als den Selbstmord finden, stellt Thoss dabei in den Mittelpunkt.
Es sind junge Menschen, die einen sinnlosen Tod sterben. Eine Gesellschaft, die unfähig ist, ihre latenten Spannungen und Konflikte zu lösen. Eltern, die keine Ahnung von der seelischen Notlage ihrer Kinder haben. Wenn am Ende der Geschichte von Romeo und Julia die Bürger von Verona betroffen vor deren Leichen stehen, stellt sich vor allem die Frage nach dem Warum. Gab es wirklich keine Möglichkeit, diese Tragödie zu verhindern? War es grausames Schicksal oder menschliches Versagen, das zur Katastrophe führte? Was bringt zwei junge Menschen wie Romeo und Julia dazu, so konsequent und zielgerichtet den Weg in den Tod zu gehen?
In seiner Interpretation des Shakespeare-Klassikers geht Stephan Thoss diesen Fragen nach und entdeckt eine Gesellschaft, die in Konventionen und Erwartungshaltungen erstarrt ist, ohne diese jemals einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Die Unfähigkeit der Generationen miteinander zu kommunizieren, die Gewaltbereitschaft Jugendlicher, die ihre Tage orientierungslos auf der Straße verbringen, vor allem aber die beiden jungen Liebenden stehen thematisch im Vordergrund.
Die musikalische Grundlage bildet die berühmte Ballettmusik von Sergej Prokofjew, die sich sowohl durch lyrische Finesse wie mitreißende Energie auszeichnet. Prokofjews 1938 entstandene Komposition zählt zu den herausragenden Werken der modernen Ballettliteratur.
In den Dialog mit Prokofjews eher deskriptivem Erzählstil stellt Thoss Werke des zeitgenössischen englischen Komponisten Michael Nyman. Bekannt geworden durch Filmmusiken für Peter Greenaway und Jane Campion (Das Piano) zeichnet Nymans Arbeit sich vor allem durch Opern (Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte) und hochsensible Kompositionen für Kammermusik und Soloinstrumente aus. Für seine Fassung von Romeo und Julia wählte Stephan Thoss u.a. Ausschnitte aus den Streichquartetten Nr. 3 und 4 sowie aus dem 2003 entstandenen 1. Violinenkonzert.
Choreografie/ Bühnenbild Stephan Thoss
Musik Sergej Prokofjew und Michael Nyman
Musikalische Leitung Wolfgang Ott
Kostüme Jelena Miletic
Video Andreas Etter
Dramaturgie Anja von Witzler
Ballett und Orchester des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden