Um all jene zu beseitigen, die vor ihm ihre dynastischen Ansprüche geltend machen können, beginnt Richard ein skrupelloses Spiel und entfacht eine Spirale der Gewalt. Er intrigiert gegen seine Schwägerin Elisabeth, streut Gerüchte, um den Machteinfluss ihrer Familie am Hof zu brechen und königstreue Anhänger auf seine Seite zu ziehen, wirbt um Frauen, deren Männer er einst töten ließ, lässt seinen Bruder Clarence ermorden und die minderjährigen Kinder Edwards in den Tower werfen. Als auch Edward IV. stirbt, ist der Weg frei und Richard wird, befeuert durch den Zuspruch seines Vertrauten Lord Buckingham, zum König gekrönt. Doch er ist sich seiner Macht nicht sicher. Jeder, der sich ihm fortan auch nur scheinbar in den Weg stellt, bezahlt mit dem Leben. Als Richard den Mord an Edwards Kindern befiehlt, zeigt Buckingham Skrupel und flieht nach Frankreich. Dort formiert sich inzwischen unter Heinrich von Richmond aus dem Hause Tudor eine starke Gegenpartei, um Richards Schreckensherrschaft ein Ende zu machen.
Mit dem Tod des historischen Richard III. endeten 1485 die sogenannten Rosenkriege zwischen den Häusern York und Lancaster, in deren Folge die Tudors ihre Macht etablierten. „Richard III“ wird zu Shakespeares Historien gezählt. Acht von ihnen stellen die Rosenkriege ins Zentrum und lassen sich in zwei Zyklen unterteilen; die 1. Tetralogie, zu der „Richard III“ zählt, wird auch als York-Tetralogie betitelt und ist in den frühen 1590er Jahren entstanden. In ihr nimmt Shakespeare mit dem Fall der Lancasters und dem Aufstieg der Yorks zugleich das Ende des Konfliktes vorweg.
In „Richard III“ beschreibt er den finalen Punkt eines großen, kreisenden Mechanismus aus Macht, Aufstieg und Fall zweier Dynastien. Shakespeare fokussiert jedoch – in extremer zeitlicher Raffung – ausgewählte historische Ereignisse, die er, auf die Vergangenheit des ausgehenden 14. Jahrhunderts rekurrierend, mit der Machtübernahme Richmonds und der Tudors zugleich zukunftsweisend miteinander verknüpft. Mit seiner Figur des Richard III. schuf er um 1593 einen seiner abstoßendsten und zugleich größten Verführer. Damit prägte Shakespeare das bis heute gültige Bild Richards als grausamen Gewaltherrscher und legitimierte zugleich den Eintritt in ein „friedliches“, goldenes Zeitalter, beginnend mit der Machtübernahme der Tudors, in deren Nachfolge Elisabeth I. zu Lebzeiten Shakespeares regierte.
Regisseur Malte Kreutzfeldt ist es wichtig, die Instrumente und Mechanismen politischer Macht freizulegen, die dieser Tragödie eingeschrieben sind; Richards Gedankengänge und seine brillant geplanten Schachzüge stellt er offen aus und verweist damit zugleich auf die menschlichen Abgründe, die nicht nur Richard allein, sondern allen Figuren innewohnen und auch heute hinter dem Triebwerk politischer Herrschaft stehen können.
Die Titelrolle übernimmt die Schauspielerin Susanne Stein. Wie meisterhaft sie Shakespeare-Rollen beherrscht, bewies sie zuletzt als Gertrud in Bogdan Kocas „Hamlet“-Inszenierung. Ihre schauspielerischen Möglichkeiten gaben den Ausschlag für ihre Besetzung als Richard – dass sie eine Frau ist, sorgt für Irritationsmomente, ist aber nicht entscheidend für die Darstellung eines machtbesessenen, zunehmend dem Wahn verfallenden Charakters.
Übersetzung von Thomas Brasch
Regie: Malte Kreutzfeldt
Bühne: Nikolaus Porz
Kostüme: Katharina Beth
Mit: Susanne Stein (Gloster, später Richard III), Christine Gabsch (Herzogin von York u.a.), Florence Matousek (Königin Margaret u.a.), Lysann Schläfke (Lady Anne u.a.), Maria Schubert (Königin Elisabeth u.a.); Wolfgang Adam (Hastings u.a.), Marko Bullack (Stanley u.a.), Grégoire Gros (Richmond u.a.), Philipp Otto (Buckingham u.a.), Christian Ruth (Catesby u.a.)