Sie begannen mit der Entwicklung des Stückes im April, und man könnte meinen, der arabische Frühling hätte auch sie beeinflusst. Ihre Beobachtungen von Hierarchien bilden den Ausgangspunkt des Stückes "Herrschaftspiele". Da Behinderte oft den untersten Rang zugewiesen bekommen, aber machmal bedient werden müssen, kennen sie beide Seiten der Medaille. Das breiten sie süffisant aus.
Herren, schräge Kellner, freche Zofen, Mobbing, eine Prinzenhochzeit und das Warten auf Godot - Hackordnungen und Wartezeiten mit Angepassten und Regelverletzern.
Warten und Unterordnen wird Behinderten häufig zugemutet. Die Spieler hatten daher viel Zeit zum Studium der unterschiedlichsten Hackordnungen. Gemeinsam mit Regisseurin Christine Vogt haben sie fünf freche Improvisationen dazu entwickelt. Nach der Pause ist das Thema Warten dran, Godot lässt grüßen.
1. Ein Herr sucht seinen Diener nach Hans Henny Jahnn
Bewerber stellen sich vor, der augenscheinlich qualifizierteste wird ausgewählt. Nach der Bewerbungsfrist taucht ein junger Mann auf, der eine abenteuerliche Lebensgeschichte und keine Ahnung vom Dienen hat. Jedoch die Chemie stimmt. Voller Gewissensbisse gegenüber den erfahrenen Bewerbern engagiert der Herr den Abenteurer. So geht es auch dem Behinderten, der einen Assistenten sucht, er nimmt den, der seine Sprache spricht.
2. Im Gemach der Herrin
Drei Zofen bereiten ihre Herrin für einen großen Empfang vor. Sie kleiden sie an, schminken und frisieren sie. Als sie fast fertig sind, taucht die vierte Zofe auf und wirbelt frech alles durcheinander.
3. Hackordnung
Bei öffentlichen Beschäftigungsmaßnahmen gibt es 1-Euro-Jobber, Leute die Arbeit statt Strafe leisten müssen, und Behinderte. Diese sind meist die letzten in der Hackordnung derer, denen schon der unterste Platz der Gesellschaft zugewiesen wurde. Statt Solidarität im Kampf gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse zu üben, wird die gesellschaftliche Gewalt nach unten abgeleitet. Behinderte bekommen das zu spüren. Die meisten wehren sich nicht.
4. Gäste
Schauplatz: ein Restaurant. Thema: Essen. Platzhirsch und Diener zugleich: Der komödiantisch veranlagte Kellner.
5. Vor der Hochzeit
Die letzte englische Prinzenhochzeit bekam nicht nur in Friseursalons große Aufmerksamkeit. Da wurde genau beobachtet, wer die Schleppe trägt, wie tief der Hofknicks sein muss, wer wann wo sitzt, steht, kniet, spricht und winkt. Die real existierende feudale Hackordnung, vorgestellt mit feiner Ironie von heimlichen Expertinnen.
- Pause -
Godot lässt grüßen
Warten auf den Telebus, auf die große Liebe, auf die Eltern, auf Godot. Doch Godot erscheint gar nicht. Wladimir und Estragon sind enttäuscht. Plötzlich realisieren sie, dass Godot sie gesehen haben muss. Diese Freude löst ein zirzensisches Finale aus. Man ist wenigstens gesehen worden. Dies reflektiert das Wesen des Theaters selbst, aber auch den besonderen Personenkreis der Menschen mit Behinderungen. Gesehen und wahrgenommen werden ist existenziell - und dennoch nicht für alle selbstverständlich.
mit Dirk Braun, Lucas Bumke, Marko Georgi, Annabella Gronau, Maria Günzel, Hendrik Jansen, Jana Kroll, Angelika Kruschat, Milo Landsberg, Havva Macit, Gunnar Mann, Anja Reimann, Axel Rutkowski, Karin Zeitner-Aust
Konzept + Regie: Christine Vogt
Kostüme + Bühne: Silja Landsberg
Licht + Ton: Alexander Gau
Regieassistenz: Sanaz Rassuli Pourrahim, Monique Wildgruber
Projektleitung: Angelika Kruschat
Fotos + Videodokumentation: Ulrich Grefe
Produktion: piloti storti, Theaterensemble Spastikerhilfe Berlin e.V.