Wenn ihm auch die großen Schlächter der Weltgeschichte wie Hitler, Stalin oder Pol Pot Konkurrenz machten, so blieb doch Judas der, der „unseren Herrn Jesus Christus“ verriet und dem Tode preisgab. Kein anderer verkörperte Verrat und Niedertracht wie er.
Doch heute ist die Sache mit Judas nicht mehr ganz so eindeutig. So sorgten die Entdeckung und die spektakuläre Veröffentlichung des sogenannten Judas-Evangeliums zu Ostern 2006 für Aufregung. Hier erscheint Judas Iskarioth als klug argumentierender und debattierender Jünger Jesu, der dabei grundsätzliche Prinzipien des christlichen Dogmas in Frage stellt und damit seinen Stellenwert in der Heilsgeschichte Jesu neu behauptet. Und schon 1971 sorgte das populäre Musical Jesus Christ Superstar, das theologische Fragen seiner Zeit aufgriff, für Unruhe: War Judas‘ Verrat nicht notwendig, um Christi Opfer erst möglich zu machen? War er einfach nur derjenige, der diesen schmutzigen Job
erledigen musste? Hätten sich Tod und Auferstehung Jesu auch ohne ihn ereignen können? Diese Fragen stellt Lot Vekemans in ihrem Monolog Judas – genauer gesagt: Sie lässt Judas diese Fragen selbst stellen. Er steht zwischen uns, als Mensch unserer Tage, um endlich aufzuräumen mit all den Missverständnissen, die seine Figur umgeben.
Dabei vermeidet es Vekemans klug, Judas nur als Opfer zu stilisieren – seine Rechtfertigungsrede, die eigentlich keine sein sollte, hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Ganz im Reinen mit sich und seiner Tat ist dieser Judas auch nach zweitausend Jahren noch nicht. Es reicht nicht, Judas einfach ins Heilsgeschehen zu integrieren – Vekemans zwingt uns, selbst Stellung zu beziehen. Und das ist gar nicht so leicht, denn offenbar steckt in uns allen ein bisschen Judas.
Übersetzung ins Deutsche von Eva M. Pieper und Christine Bais
INSZENIERUNG
Irmgard Lübke
BÜHNE & KOSTÜME Irmgard Lübke / Konstanze Schick
MIT
Judas ................. Jan-Hinnerk Arnke
WEITERE VORSTELLUNGEN
Oktober: 14. (20.00), 25. (20.00)
November: 5. (20.00), 15. (20.00), 26. (20.00)