Egoistische Zerstörungswut wirkt sich hier auf die Individuen fatal aus. Die Verletzlichen und Schwachen werden an den Rand gedrängt. Foniadakis erweitert den Blick dabei auf zeitgenössische Auseinandersetzungen, die in elektrisierender Weise dargestellt und verdeutlicht werden. Ein stark dynamischer und mit enormer Energie daherkommender Tanz reisst die Zuschauer mit, manches erinnert an seine Arbeiten für Gauthier Dance. Hinzu kommt die suggestive, fast hypnotische Musik von Arvo Pärt, Bryce Dessner und Julien Tarride.
Männer und Frauen erscheinen hier als klare geometrische Figuren, die fallen, zusammenbrechen, einander berühren und auch nacheinander greifen. Die Bühne von Sakis Birbilis und die luftig-leichten Kostüme von Anastasios-Tassos Sofroniou illustrieren dieses seltsame Gefühl der Schwerkraft, das gleich zu Beginn zelebriert wird, wenn die Tänzer einen offenen Schrein hereintragen. Energiegeladene Kampfszenen lassen das Geschehen dann förmlich explodieren. Das antike Drama ist tatsächlich Ausgangspunkt dieser ungewöhnlichen Choreografie. Das Gefühl der Verzweiflung und des Ausgeliefertseins ist wirklich allgegenwärtig.
In den rasanten und komplizierten Tanzsequenzen wird auch der alltägliche Kampf um die Existenz dargestellt. Die Tänzerinnen und Tänzer sind dabei auf der Suche nach Frieden und Erfüllung, doch Schmerz und Kampf überwiegen. Die "Troerinnen" des Euripides berichten über die Zeit nach dem Trojanischen Krieg. Hier stehen die Frauen im Zentrum des Geschehens, die unter den Folgen des Krieges leiden. Andonis Foniadakis erzählt aber keine lineare Geschichte. Kassandra, Hekabe und die schöne Helena finden wir nicht unter den Tänzerinnen. Sogar ein Kassandra-Text wird zitiert. Das Chaos des Krieges prägt dabei sehr deutlich die verschiedenen Tanzformen. Alle sind Opfer, weil beide Seiten Gewalt erleben. Das wird in der suggestiven Choreografie sehr gut dargestellt.
Dies gilt außerdem für Momente der absoluten Freiheit, die in dieser Arbeit ebenfalls plastisch verdeutlicht werden. Es gibt klare Anspielungen auf die Folklore. Trotzdem soll diese Geschichte nicht unbedingt griechisch sein, so Foniadakis. Durch Verhandlungen und politische Lösungen könne und müsse ein Weg gefunden werden, denn nichts rechtfertige den Mord an anderen. Das Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz setzt alle diese Ansätze tänzerisch konsequent und radikal um. Michael Brandstätter dirigert dabei das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz höchst einfühlsam und impulsiv. Absteigende chromatische Schritte werden von den Tänzern eindringlich dargestellt. Die Annäherung an den Folkloretanz gelingt ausgezeichnet.
Zuletzt Jubel und großer Schlussapplaus. Die goldenen Schilder wirken dabei wie glänzende Augen.