Liebesaffären zwischen Angehörigen der verfeindeten Stämme, Selbstmordversuche und Attentate, Verkleidungen und Missverständnisse sorgen zudem für weitere Komplikationen …
Die erst vor wenigen Jahren wiederentdeckte Partitur des hochbegabten, allerdings wenig bekannten Opernkomponisten Antonio Vivaldi nutzt den historischen Moment im exotischen Ambiente, um ein Feuerwerk an effektvollen Arien und Ensembles zu präsentieren. Gemäss der Barockästhetik geraten die Figuren durch Tatsachenverkennung, Liebesnöte und Machtverschiebungen immer wieder in Extrem¬situationen. Und hier setzt die Musik an: Sie spürt auf originelle Weise der psychologischen Verfassung, den Gemütszuständen und den existenziellen Krisen der Figuren nach.
Der Entdeckung sowohl jenes Werkes als auch seines Autors, der heute vor allem für sein instrumentales Œuvre geschätzt wird, widmet sich «La Gioconda», die auf Alte Musik spezialisierte Formation des Luzerner Sinfonieorchesters unter der Leitung von Michael Form.
Der Ergänzung beziehungsweise Neukomposition der verschollenen Musik ging ein ausführliches Studium der erhaltenen Instrumental- und Vokalmusik Vivaldis voraus. Dabei wurden nicht nur bereits be¬kannte «standards» neu bestätigt, sondern auch die vielen speziellen und individuellen Momente einzelner Stücke berücksichtigt und aufgegriffen – so hat etwa die oktaviert zur Gesangsstimme geführte Solovioline im Mittelteil der Arie «Nella stagion ardente» (III, 4) samt abschliessender Kadenz ihr Vorbild in der Arie «Gaurda in quest’occhi» aus der Oper «Ottone in Villa». Neben solchen formalen Aspekten wurde im Sinne des Zitats auch direkt auf den «echten» Vivaldi zurückgegriffen: Dem Kopfmotiv der Arie «Gli oltraggi» (I,2) liegt der Anfang des Concertos RV 332 zugrunde; «Dallo sdegno» (I,5) ist inspiriert von «Misero spirto mio» (Ottone), und in den Arien «Anche in mezzo» (III,2), «Dal timor» (III,3) und «Nella stagion» (III,4) wurden verschiedene Instrumentalwerke Vivaldis verarbeitet: die Triosonate RV 86, der Beginn des «Winters» aus «Die vier Jahreszeiten» und das Fagottkonzert RV 484. Für die Arie «L’aquila generosa» schliesslich konnte glücklicherweise der Beginn der fragmentarisch erhaltenen originalen Violinstimme verwendet werden. Für die Rezitative war es vor allem wichtig, der durch das Libretto vor¬gegebenen Metrik zu folgen und dem Sänger am Ende jedes Verses die Gelegenheit zur obligatorischen Appoggiatura zu geben. Dass dem Schlusschor die Ciaccona des Konzerts RV 114 zugrunde liegt, mag uns heute besonders erfreuen, auch wenn es von Vivaldi selbst nur ein einziges Beispiel dieser Art gibt: Der Schlusschor der Oper «Il Giustino» ist ebenfalls als Ciaccona gearbeitet. Für eine wohl wahrscheinlichere Fassung dieses Schlusschores sei auf die Rekonstruktion von Steffen Voss verwiesen.
MIT: Tanja Ariane Baumgartner, Teodora Gheorghiu, Simone Stock, Caroline Vitale, Howard Quilla Croft, Bernhard Landauer
PRODUKTIONSTEAM: Michael Form (Musikalische Leitung), Martín Acosta (Inszenierung), Humberto Spíndola (Ausstattung), David Hedinger (Licht), Bernd Feuchtner (Dramaturgie)
«La Gioconda» – Barockensemble des Luzerner Sinfonieorchesters
Statisterie des Luzerner Theaters
Koproduktion mit dem Theater der Stadt Heidelberg
WEITERE VORSTELLUNGEN: 13.06., 15.06., 16.06.2007, jeweils 19.30 Uhr
WIEDERAUFNAHME: 16.9., 23.9., 28.9., 1.11., 3.11.2007