»König Lear« ist ein apokalyptischer Alptraum für alle, die noch an so etwas wie Familienbande und einen »Generationenvertrag« glauben, die düstere Vision einer Gesellschaft, in der alles zur Disposition steht, auch das soziale Miteinander von Jungen und Alten. Lear ist König, Vater und Patriarch, selbstherrlicher Machtmensch, der reiche Mann im Überfluss, ein Shakespearscher Jedermann und Renaissance-Hiob.
Das Stück vereint viele Themen und changiert zwischen Mysterien- und Märchenspiel, Beckettschem »Endspiel«, großem Menschheitsdrama, grotesker Welttragödie und Melodram, ist aber nicht zuletzt eine düstere Parabel über einen blutigen Krieg der Generationen. »König Lear« zählt zu den späten Stücken Shakespeares.
Es wurde 1606 zum ersten Mal in London aufgeführt und basiert auf einem alten Märchen: dem Märchen vom König, der sein Reich vorzeitig unter seinen drei Töchtern aufteilt und dabei ihre Liebe auf die Probe stellt. Während die älteren Töchter Regan und Goneril sich in Liebesbekundungen für den Vater überbieten, bekennt Cordelia, Lears Hoffnung und Lieblingstochter, dass sie ihn nicht mehr und nicht weniger lieben könne als es ihre Schuldigkeit verlangt. Tief in seiner Eitelkeit gekränkt, verstößt Lear Cordelia und vertraut den Lippenbekenntnissen der beiden anderen Töchter. Doch schon bald werden aus den »good girls« die »bad girls«, die Lear kalt und herzlos behandeln und sich gegen ihn verschwören.
Verzweifelt und nur von seinem Narren begleitet, irrt der alte Lear durch die sturmgepeitschte Nacht. Hier trifft er auf das Opfer einer zweiten Familienfehde. Edgar ist, als Irrer getarnt, auf der Flucht vor seinem Vater, dem Herzog Gloster, bei dem ihn sein macht- und geltungshungriger Halbbruder Edmund denunziert hat. Gloster schlägt sich auf die Seite Lears, wird von Edmund verraten und in einem Ausbruch brutaler Gewalt von Regans Ehemann Cornwall geblendet. Immer tiefer dem Wahnsinn verfallen, wird Lear zum existentialistischen Amokläufer inmitten einer Welt, die zunehmend in Chaos und Bürgerkrieg versinkt und unausweichlich ihrem Ende entgegen taumelt.
Sind die Väter in Shakespeares »Lear« die tragischen Opfer einer coolen »next generation« oder ist es ihre eitle Machtbesessenheit, die sich brutal an ihnen rächt? Lear hat vorzeitig die Macht abgegeben, will aber weiterhin Mittelpunkt der Welt bleiben. Seine Geste der Bescheidenheit ist eine Grenzüberschreitung mit fatalen Folgen, die ins Herz einer Gesellschaft trifft, in der menschliche Werte immer mehr von materiellen Begierden bedroht werden.
Regie Georg Schmiedleitner, Bühne Florian Parbs, Kostüme Heide Kastler, Musik Sebastian Weisner, Licht Annette Ter Meulen, Dramaturgie Frank Behnke, Mit Marco Albrecht, Katja Danowski, Tim Grobe, Ute Hannig, Lukas Holzhausen, Markus John, Julia Nachtmann, Michael Prelle, Aleksandar Radenković, Jana Schulz, Tristan Seith, Samuel Weiss.
Weitere Vorstellungstermine: 17., 21., 26. Januar, 3., 9., 13. Februar 2011
Eintrittspreis: 15-65 €
Karten: Telefon 0 40.24 87 13 (Mo.-Sa., 10-19 Uhr) oder online unter www.schauspielhaus.de