In betrunkenem Zustand jedoch zieht er seinen Chauffeur Matti ins Vertrauen darüber, dass er es bereut, die bevorstehende Hochzeit seiner Tochter Eva mit dem langweiligen Attaché arrangiert zu haben – und in seinem Rausch hält Puntila ausgerechnet Matti für den idealen Bräutigam seiner Tochter. Der standesbewusste Matti sieht jedoch in der Klassenzugehörigkeit Evas ein unüberwindbares Hindernis und lässt sie zu einem „Examen“ antreten – doch Eva besteht die Prüfung zur einfachen Frau aus dem Volk nicht. Matti verlässt schliesslich Puntilas Hof mit den Worten: „Der Schlimmste bist du nicht, den ich getroffen / Denn du bist fast ein Mensch, wenn du besoffen.“
Brechts Volksstück entstand 1940 im Exil nach einer Vorlage der finnischen Autorin Hella Wuolijoki und wurde im Juni 1948 am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. In der „Ausformung des Klassenantagonismus zwischen Puntila und Matti“, so Brecht in seinen Notizen, „macht es die Verlogenheit und Gefährlichkeit der bestehenden Herrschaftsverhältnisse deutlich.“ Denn in der kapitalistischen Gesellschaft sei der Mensch gezwungen, in einer Bewusstseinsspaltung zu leben und seine gute Natur zu verleugnen. Puntila ist für ihn eine Ausgeburt des Kapitalismus: „auszulachen im Suff, verabscheuungswürdig in der Nüchternheit.“
In der Regie von Sebastian Baumgarten, dessen Zürcher Brecht-Inszenierung „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ 2013 zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde, wird das Stück nun im Pfauen auf dem Spielplan stehen.
„In Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ geht es um das beginnende Krepieren männlicher Omnipotenz. Wir beobachten in einer der beiden Titelfiguren die Diskrepanz zwischen dem eigenen Funktionieren und dem menschlichen Handeln unter heroischen Machtverhältnissen, die nur noch über die Drogeneinnahme reguliert werden kann. Das mag humorlos und sehr ernsthaft klingen, aber Bert Brecht hat diesen Klassenkampf auf dem Land mit Lust und Witz betrachtet und uns eine grossartige
Komödie hinterlassen.“ Sebastian Baumgarten
Sebastian Baumgarten studierte Opernregie in Berlin und ist seit seiner Zeit als Assistent von Ruth Berghaus und Robert Wilson sowie Mitarbeiter von Einar Schleef als Grenzgänger zwischen Schauspiel- und Opernhäusern unterwegs. Am Opernhaus Zürich waren „Don Giovanni“ und „Hamletmaschine“ zu sehen, am Schauspielhaus inszenierte er „Die Affäre Rue de Lourcine“ von Eugène Labiche, Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ sowie zuletzt „Schuld und Sühne“ nach dem Roman von Fjodor Dostojewski.
Regie Sebastian Baumgarten
Bühne Thilo Reuther
Kostüme Christina Schmitt
Musik Alexander Tucker
Video Chris Kondek
Videomitarbeit Tabea Rothfuchs
Licht Frank Bittermann
Dramaturgie Gwendolyne Melchinger
Mit:
Puntila, Gutsbesitzer Robert Hunger-Bühler
Eva, seine Tochter Carolin Conrad
Matti, sein Chauffeur Johann Jürgens
Der Attaché Jirka Zett
Der Richter Klaus Brömmelmeier
Die Schmugglermama Susanne-Marie Wrage
Das Apothekenfräulein Miriam Maertens
Die Telefonistin Dagna Litzenberger Vinet
Laina Gottfried Breitfuss
Live-Musik Alexander Tucker
Weitere Vorstellungen im Pfauen
8./ 12./ 17./ 20./ 24. Mai, jeweils 20 Uhr
28. Mai, jeweils 19 Uhr
5. Juni, 19 Uhr